: Im Crashkurs zum Ausbilder
■ Mit Sonderprogrammen sollen Lehrstellen in ausländischen Betrieben geschaffen werden
„Wir haben hier eine traurige Situation“, sagt Petra Heidenreich vom „Kreuzberger Kreis“, einem eigens zur Ausbildungsförderung gegründeten Verein. Heidenreich, die gleichzeitig die Ausbildung bei der Visolux Elektronik GmbH betreut, spricht vom mangelnden Interesse türkischer Unternehmer in Berlin, Ausbildungsplätze für jugendliche Schulabsolventen anzubieten. Dabei hatten alle sehr enthusiastisch angefangen: Die türkisch-deutschen Unternehmerverbände TDU und Müsiat in Berlin sollten gewonnen werden, um Mitarbeiter türkischer Unternehmen in sogenannte Ausbilder-Crashkurse zu schicken. Diese Schnellkurse, die in Absprache mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) stattfinden, stießen bei der türkischen Unternehmerschaft jedoch auf wenig Begeisterung. Von den rund 5.000 türkischen Unternehmen erschienen nur zwanzig Teilnehmer zur Diskussion über Ausbildungsmisere und Möglichkeiten für ausländische Unternehmer, zukünftig mehr Lehrstellen anzubieten. „Einige türkische Unternehmer haben auch nach der Veranstaltung schlicht nicht verstanden, warum sie an einem Ausbilderprogramm teilnehmen sollen“, so Heidenreich verärgert. Ziel der Schnellkurse sei, Mitarbeiter der Unternehmen auch ohne jahrelange Ausbilderlehrgänge zu befähigen, qualifizierte Ausbildungsplätze anzubieten. Das geht aber nach Vorstellungen der Industrie- und Handelskammer nur, wenn Betriebe einen sogenannten Ausbilderschein nachweisen können, der in den Crashkursen erworben werden kann. Das Sozialpädagogische Institut (SPI) bot diesen Kurs in Kooperation mit der IHK und dem Kreuzberger Kreis an.
Um das Angebot schmackhaft zu machen, hatte das SPI für das Programm „Ausbilderqualifizierung für türkische Unternehmer“ gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Arbeit EU-Fördergelder losgeeist und die Crashkurse zum halben Preis der IHK-Kosten angeboten. Fünfhundert Mark kostet so das Ausbilderprogramm. Doch die türkischen Unternehmerverbände stritten schon untereinander, bevor der Kurs losging: Als der TDU im türkischen Fernsehen ankündigte, er betreibe gemeinsam mit der IHK Ausbilderkurse, fühlte sich der zweite Unternehmerverband, Müsiat, übergangen. Schließlich kamen nur 26 Teilnehmer. Doch der Leiter der Abteilung Berufsbildung und Ausbildung der IHK, Hans Platte, ist mit der Beteiligung zufrieden. Sprachprobleme wurden zwar von den Unternehmerverbänden als Grund für die mäßige Teilnahme angeführt, doch Platte hält es für „absurd“, wenn etwa der gesamte Kurs ins Türkische übersetzt werden müßte. Für die Übersetzung von Fachbegriffen allerdings gibt es Dolmetscher.
Im Anschluß an den Kurs nehmen die Ausbilder in spe an fünftägigen Betriebspraktika teil, um die Ausbildung in anderen Betrieben kennenzulernen. Zum Beispiel bei der Visolux Elektronik GmbH. Das Kreuzberger Unternehmen tat sich 1997 mit einer Ausbildungsoffensive hervor. Mit der Gesellschaft zur Förderung der Berufsfortbildung in Berlin und Brandenburg bot Visolux an, 200 zusätzliche Ausbildungsstellen zu organisieren. Mit dem Problem konfrontiert, daß in Kreuzberg bei einem dreißigprozentigen Anteil türkischer Jugendlicher nur wenig Ausbildungsplätze in türkischen Unternehmen bereitstehen, hatte die Visolux-Geschäftsführung als Initiatorin des Kreuzberger Kreises gefordert, daß auch die türkischen Unternehmen mehr ausbilden. Ulrich Heuke als Mitglied der Visolux-Geschäftsführung brachte die Idee der Ausbilderschnellkurse aus Köln mit, wo mit den Kursen bereits große Erfolge erzielt wurden.
Berlin hat keine Zeit zu verlieren: Der Ausbildungsplatzmangel führt, wie IHK-Ausbildungsexperte Platte formuliert, „zum Verdrängungswettbewerb unter Schulabsolventen“. Schlechte Noten als Resultat von Sprachproblemen sowie religiöse Vorschriften wie „das Tragen von Kopftüchern“ seien beispielsweise in einigen Servicebranchen Teil dieser Verdrängungskriterien, trotz der „zwölfprozentigen Steigerung bei Ausbildungsplätzen“, so Platte. Religiös orientierte türkische Schulabgängerinnen hätten in ausländischen Betrieben bessere Chancen auf eine Lehrstelle.
Im September schließen die ersten frisch geprüften türkischen Ausbilder mit einer Unterrichtsprobe den Kurs ab. Weitere 26 Betriebe sind dann „ausbildungsberechtigt“. Doch das sei erst der Beginn, so Platte, „denn schließlich gibt es ja auch genug italienische Restaurants, die ausbilden könnten.“ Peter Sennekamp
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