■ Ölsardinen: Ehrenrettung für einen Fisch
Was kostet ein Döschen Sardinen? 99 Pfennig, 1,99 Mark, 2,99 Mark das Dreierpack? Nicht bei Genießern. Auf unserem Teller liegen entdoste Köstlichkeiten für vier, zehn und zwölf Mark. Es gibt auch welche für hundert Mark. Alles eine Frage des Alters, der Verarbeitung und des Geschmacks. Im Seminar über „Sardinen – eine vergessene Köstlichkeit“, klärte Bernd Neuner-Duttenhofer auf dem Frankfurter Slow Food Festival über einen kleinen fetten Fisch auf, der zu Unrecht als Billigheimer verschrien sei.
Nehmen wir eine ganz „normale“ Sardine. Sie wird vor allem in Portugal in riesigen Mengen gefangen und – erst mal tiefgefroren. Nach dem Auftauen wird sie gesalzen, mit viel Hitze und Druck konserviert, dicht an dicht in die Blechdose gequetscht, etwas Pflanzenöl (10 Mark für 50 Liter) zugegossen. Basta!
Es geht auch anders: Erster Schritt zum Genuß wäre das frische Verarbeiten, ohne Tiefkühlgang. Der zweite Schritt: das Schuppen der Fischlein. Das ist aufwendig und führt sofort zur Verteuerung. Man kann den Fischen auch die Haut abziehen und sie entgräten. Der Referent ist davon nicht begeistert. Mit Haut schmeckt es kräftiger, und die Fische sehen schöner aus als ganz nackt. Ohne Haut ist die Haptik im Mund angenehmer. In französischen Delikatessenläden gibt es beide Varianten.
Bei richtig guten Produkten werden die Sardinen locker in die Dose eingeschichtet. So hat mehr Öl Platz, das sich besser mit dem Fischkörper verbinden kann. Das macht aber nur dann Sinn, wenn allerfeinstes Olivenöl verwendet wird. Von diesem Spitzenöl kostet die Menge für eine einzige Dose schon mal ein bis zwei Mark. Wenn man dann noch die besten Sardinen vor den Steilküsten der Bretagne oder Süditaliens zur idealen Jahreszeit fängt...
Entscheidend für die Qualität sind Druck und Temperatur bei der Konservierung. Beides darf nicht zu hoch sein, sonst ist keine Reifung möglich. Der Fisch bleibt dann hart und verbindet sich nicht mit dem Öl. Genau darauf kommt es aber an. Wenn die Sardine sechs bis acht Jahre gereift ist, „schmeckt sie sensationell“, sagt der Referent und rollt die Augen. Die Geschmacksproben beweisen zumindest eines: Gereifte Sardinen sind ein völlig anderes Produkt, das nichts mit einfachen Dosensardinen zu tun hat, wie wir sie kennen. Öl und Fisch sind über die Jahre zu einem Gesamtkunstwerk verschmolzen.
„Die Sardine ist ein Solist“, warnt Neuner-Duttenhofer. Allenfalls Kartoffeln erträgt sie. Aber besser nicht. Also nur Weißbrot und etwas frisches (!) Olivenöl. Das Öl aus der Dose sei verbraucht und könne niemanden entzücken. Dazu einen nicht zu jungen Weißwein mit moderater Säure. Probieren! Manfred Kriener
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