: Arbeit bis ans Lebensende
Zum „Tag der älteren Generation“kündigt Bald-Sozialsenatorin Karin Roth neue Wege in der SeniorInnenpolitik an ■ Von Judith Weber
Die designierte Sozialsenatorin übt Regieren: Schon einen Tag bevor sie heute vor der Bürgerschaft vereidigt wird, hat Karin Roth gestern eine neue Linie in der SeniorInnenpolitik angekündigt. „Mit sanftem Druck“sollen RentnerInnen „stärker ins öffentliche Leben eingebunden werden“, sagte sie anläßlich des heutigen Tages der älteren Generation.
Und das geht, kurz gesagt, so: Mehr gemeinnützige Arbeit, weniger Müßiggang. SeniorInnen könnten beispielsweise als SchülerInnenlotsen arbeiten, überlegte Roth. Ehrenamtlich natürlich, damit dem Staat „keine Zusatzkosten entstehen“. Durch einen „verstärkten Einsatz“pensionierter LehrerInnen als BetreuerInnen in Frei- und Verfügungsstunden könnten an Hamburgs Schulen „einige hundert“Stellen gespart werden, pfuschte sie gar Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD) ins Handwerk. Außerdem sollen SeniorInnen „für Sauberkeit in öffentlichen Grünanlagen sorgen“und Parkbänke streichen. Denn die, so Roth, „werden ohnehin hauptsächlich von älteren Mitbürgern genutzt“.
Roths ehemaliger Arbeitgeber, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), ist damit freilich nicht einverstanden. „Völlig utopisch“seien die Pläne, schimpfte gestern Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm. Auch der von Roth angedachte Wege-Reinigungsdienst für SeniorInnen in Parks und an der Elbe sei „bittere Ironie, wenn man bedenkt, daß hauptsächlich Jugendliche ihre Bierdosen ins Gebüsch schmeißen. Ein Rentner, der auf der Parkbank sitzt, wirft sein Butterbrotpapier doch in den Abfalleimer!“Wer verlange, daß Alte den Müll der Jungen wegklauben, habe „das Wort Generationenvertrag falsch verstanden“.
Schelte auch von der SPD-Koalitionspartnerin GAL. „Nicht mal mit Bauchschmerzen“könne man sowas mittragen, stellte die Bürgerschaftsabgeordnete Anna Bruns klar. „Das werden wir definitiv nicht unterschreiben. Diesmal nicht!“SeniorInnen, die Kippen auflesen, „tragen gesundheitliche Schäden davon. Das ist menschenverachtend“. Da werde SeniorInnenpolitik zum grünen Knackpunkt.
Einzig die Hamburger CDU brachte ein bißchen Sympathie auf für die Ideen der ehemaligen Chefin des DGB-Nordmark. „Es wäre sicher gut, wenn mehr Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt sich ehrenamtlich engagieren würden. Was wir im Wahlkampf allein an Graffiti weggeputzt haben!“wägte Fraktionschef Ole von Beust ab. „Ich bin für Karin. Auch wenn sie die Sparpläne an den Schulen nicht auf dem Rücken der Alten austragen sollte.“
So habe sie es auch nicht gemeint, stellte Roth prompt klar. „Wir müssen den älteren Generationen insgesamt mehr zutrauen. Schließlich ist Arbeit eine wesentliche Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.“
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