: Späte Würdigung eines Hochverdienten
■ Fiktive Doku über wirklichen Diplomaten: „Das Phantom von Bonn“, 22.55 Uhr, ARD
Der Mann ist wirklich ein Phänomen. Aber wer kennt all seine Stationen überhaupt noch? Wer erinnert sich beispielsweise, daß es allein die Geistesgegenwart dieses Staatsdieners war, die dem einstigen Bundespräsidenten Heinrich („Helm-stedt!“) Lübke 1962 beim Staatsbesuch in Indien einen außenpolitischen Fauxpas ersparte und den deutschen Stahlbaronen mögliche Mißlichkeiten an ihrem neuen Billig-Standort Rourkela: Da Lübke dem ihm unsympathischen Außenminister des Gastlandes keinesfalls die Hand reichen würde, verhalf der einfallsreiche Diplomat ihm kurz vor dem indischen roten Teppich zu einem voluminösen Gips am Grüßarm.
Die Rede ist von dem legendären Ministerialdirigenten a.D. und Geheimdiplomaten in besonderer Mission, Edmund F. Dräcker. Und für die Verdienste Dräckers verbürgen sich zahlreiche Zeitzeugen, allesamt honorig und selbst ein Leben lang an höchsten Schaltstellen der diplomatischen deutschen Dienerschaft tätig, insbesondere im Bundespresseamt, dem Bundespräsidialamt, dem Auswärtigen Amt und an der Spitze diversester Botschaften. Wiewohl der Kreis derer, die Edmund F. Dräcker je gesehen haben, ausgesprochen klein ist, können seine Gönner dabei doch auf seine umfängliche Personalakte im Archiv des Auswärtigen Amtes nebst reichhaltigem Pressespiegel verweisen, auf eine Edmund-F.-Dräcker-Stiftung und sogar ein Dräcker-Museum.
Heute, da sich der in den Unterlagen auf den 1. 4. 1888 datierte Geburtstag Edmund F. Dräckers zum 110. Mal jährt, schickt sich nun das deutsche Fernsehen an, den ergrauten Herren Altdiplomaten Gelegenheit zu geben, über ihren Protegé persönlich Zeugnis abzulegen. Dabei offenbaren sie vor allem, zu welch kreativer Extra-Leistung die deutsche Diplomatie mitten im spannungsreichen Tagesgeschäft fähig sein kann. Sie ließen es sich sogar angelegen sein, dem Spiegel, der sich im Oktober 1967 als Spaßverderber hervortat, heimzuleuchten – was als Gesamtvorgang um die Welt ging und großes Gelächter hervorrief.
In der dokumentarischen Collage, die der auf Phantome spezialisierte Claus Strobel nach zehnjähriger Recherche letztes Jahr vollendete, veranschaulicht er die diplomatischen Bekenntnisse durch Spielszenen. Die fielen zwar teils etwas somnambul aus und der körperlose Edmund F. Dräcker nimmt in Hermann Lause nur schwach Gestalt an. Doch sind neben Charles Brauer, Jürgen Schmidt, Loni von Friedel und Wanja Mues die designierte Hamburger NDR-Funkhauschefin Dagmar Reim und Tölz-Bulle Otfried Fischer als altbackenes DDR-Rundfunk-Team besonders zu goutieren. Ulla Küspert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen