Die Krimis von Dr. Walkhoff-Jordan

■ Berliner Zimmer, Teil 9. Eine Besuchsreihe von Falko Hennig

Dr. Walkhoff-Jordan:

Mein Name ist Klaus-Dieter Walkhoff-Jordan, bei beidem Bindestrich. Ich bin fast richtig Berliner. Beuteberliner. Ich bin 1946 nach Berlin gekommen. Hier war früher mein Büro drin, als ich ausgezogen bin, hab' ich mir gedacht: Mach' ich mir meine eigene Wohnung 'n bißchen schöner, nehme einen Teil der Bücher raus und tue die hierhin. Es hat sich so ergeben, daß ich jetzt hier 'ne Wohnung für Bücher hab'. Aber bald wohl nicht mehr. Es hängt alles davon ab, ob ich die verkaufen kann.

Verkaufen will ich nur die Taschenbücher von 1945 bis heute. Sie sehen, ich krieg' ja bei Diogenes, bei Heyne, bei Knaur nichts mehr unter. Gelesen habe ich die Krimis in den 50er Jahren bis Mitte der 60er. Damals gab's ja noch diese schönen Titelzeichnungen, die aus dem Amerikanischen übernommen wurden, mit diesen sexy Frauen. Wunderbar! Diesen Büchern bin ich dann später wiederbegegnet, weil ich alte Bücher gesammelt hatte. Meiner damaligen Frau habe ich da Kriminalromane mitgebracht. Sie laß fanantisch gerne Kriminalromane. Dann gab's den Tag, wo sie sagte: „Hab' ich doch schon!“ Und da mußte ich anfangen, Listen zu schreiben, damit ich die Sachen nicht doppelt bringe. Erst über einen bestimmten Verlag, dann über 'nen bestimmten Autor und später über alles. Dann habe ich mich auch so'n bißchen begeistert und habe mit den Verlagen korrespondiert. Hab' gefragt: „Sagt mal, habt ihr denn Listen darüber, was ihr bisher veröffentlicht habt?“ Damit ich nicht im Antiquariat nach einer bestimmten Nummer suche, die 's vielleicht gar nicht gibt. Und die haben gesagt: „Nein, gibt's nicht.“

Und ein Verlag fragte: „Wieviel Bücher haben Sie denn schon?“ Damals hatte ich nur 7.000. Und da sagte der: „Mensch, das ist ja phantastisch, da haben Sie ja mehr als wir im eisernen Bestand. Wollen Sie nicht 'ne Bibliographie schreiben?“ Hab' ich gesagt: „Klar, mach' ich.“ Als ich den Vertrag in den Händen hatte, mußte ich losgehen und mir die Bücher beschaffen. Weil die Verlage keine Verzeichnisse hatten. Und ich brauchte doch das Impressum in den Büchern, um zu wissen: Wann ist es erschienen? Wer war der Übersetzer? Wie ist der Originaltitel? Da begann also mein Leidensweg, ich mußte in Antiquariate, Schmökerläden, Flohmärkte, und ich kam jeden Abend mit vollen Tüten nach Hause. Anderthalb Jahre, dann hatte ich die Bibliographie fertig. Die ist bei Ullstein erschienen. Das ist 'ne Pionierarbeit, hat's vorher nicht gegeben. Die Taschenbuchsammlung steht ja schon im Guinness-Buch der Rekorde. Das ist auch bei Ullstein erschienen.

Meine Taschenbücher sind in drei Räumen. Die Bücher waren ja nicht teuer, die haben auf dem Flohmarkt zum Teil 60 Pfennig, 80 Pfennig, eine Mark gekostet. Und die neuen Bücher seit 1985 sind mir von den Verlagen zugeschickt worden, automatisch. Weil ich so was wie Promotion mache für den Kriminalroman. Und deshalb bin ich eigentlich auf dem laufenden. Ich selbst mag lieber lustige Gaunereien, Museumsdiebstahl, Diamantenkollier wird entwendet, Sachen, bei denen die Handlung 'n bißchen lustig ist und die Gauner eventuell am Ende doch nicht zu ihrem Schatz kommen. Dann gibt's 'nen Autor, der mich wegen der Dialoge sehr anspricht, das ist Robert B. Parker, sein Protagonist ist Privatdetektiv. Und der hat 'ne Freundin, und die ist Schulpädagogin. Und wenn er manchmal zerschunden und zerschlagen ankommt, dann gibt's Diskussionen, weil sie 'ne Gegnerin von Gewalt ist. Und deswegen sind diese Bücher so nett geschrieben. Ist auch verfilmt worden die Reihe, abgestellt auf Action, die Romane sind ein kleines bißchen betulicher.

Von den Händlern weiß ich eben, daß das hier wirklich die größte Sammlung ist. Darauf kommt es mir überhaupt nicht an, mir kam es darauf an, diese Bibliographie zu schreiben. Als Abfallprodukt ist diese Bibliothek entstanden. Also mehr oder weniger zufällig, weil ich gar nicht dazu komme, so viel zu lesen. Von diesen Bänden hab' ich ja nur 1.000 bis 1.500 Stück gelesen. Alle 21.000 Bücher zu lesen, dazu bräuchten Sie 78 Jahre, ohne Ostern, ohne Weihnachten, ohne Urlaub, 8 Stunden am Tag lesen, ich würde 78 Jahre brauchen. Sie müssen die Bücher mal abschreiten, wenn Sie die einzeln nebeneinanderstellen, dann hätten Sie 399 Meter, das wär' einmal rund um 'nen Fußballplatz.

Jetzt ist es in den Medien: Er will verkaufen, er will 100.000 Mark für 21.000 Bände. Und das ist nicht teuer, das sind 4,70 Mark pro Band. Bisher ist die Reaktion sehr gedämpft. Es gibt einen Interessenten, aber der Kontakt ist schwierig, weil er telefonisch schlecht zu erreichen ist, 'n Landtagsabgeordneter.

Noch sind die Bücher hier, aber ich kann mir vorstellen, wie ich hier nachher vor leeren Regalen stehe. Dann wird doch schon das linke Auge voller Tränen sein, aber das rechte freut sich schon jetzt auf die künftige spannende, abenteuerliche Jagd und die Zusammenstellung der neuen Bibliographie. Denn die alten Kriminalromane der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, die haben so wunderbare Schutzumschläge. Ich sammle diese Bücher nur mit Schutzumschlag. Aber die sind ganz schwer zu bekommen. Werden Sie auf kaum einem Flohmarkt mit Schutzumschlag angeboten sehen. Die sind zerrissen, weggeworfen. Was da an Illustrationen zu sehen ist, das ist irre spannend. Die aus den zwanziger Jahren haben kubistische Titelbilder, dann richtige düstere, brutale Sachen. Von der Farbgebung wunderschöne Drucke, das ist für mich sehr abenteuerlich, die zu finden. Kaum einer hat die mit Schutzumschlag.