„Bei den Kompetenzen ansetzen“

Projekte für Migrantinnen setzen auf Integration durch Ausbildung  ■ Von Heike Dierbach

„Ich will nicht immer nur zu Hause sein oder mein Leben lang putzen gehen.“Ayse Gürlevik weiß, daß sie mehr kann. Die 34jährige Türkin will Kinderpflegerin werden. Den ersten Schritt dorthin hat sie schon geschafft: Sie hat den Hauptschulabschluß in der Tasche und lernt jetzt an der Fachschule für Sozialpädagogik.

Möglich wurde dies durch das „Stadtteilintegrierte Hauptschulabschlußprojekt“der GATE GmbH (Gesellschaft für Arbeit, Technik und Entwicklung) in Heimfeld. Dort lernen Frauen verschiedener Nationalitäten zusammen – in sechs Sprachen, mit Deutsch als Zweitsprache. Das Besondere an diesem Projekt: Der Aufenthaltsstatus der Frauen spielt bei der Auswahl keine Rolle. Vorschriften des Ausländerrechts verwehren nämlich ansonsten vielen Migrantinnen den Zugang zu Aus- und Weiterbildung. Die Folgen: Ausländische Frauen sind doppelt so oft arbeitslos wie deutsche und arbeiten überproportional oft in anstrengenden und schlecht bezahlten Aushilfsjobs.

Das kritisierte auch Gleichstellungssenatorin Krista Sager auf der gestrigen Fachtagung „Ohne Abschluß wirst du hier nichts!“Die Heimfelderinnen und ARIANA, zwei der wenigen Hamburger Projekte, bei denen Migrantinnen unabhängig vom Aufenthaltsstatus einen Abschluß erwerben können, hatten zum Erfahrungsaustausch geladen.

„Mein Mann war erst skeptisch, daß ich auf einmal so unabhängig werde,“erzählt Ayse Gürlevik, „aber jetzt findet er es auch gut, eine kluge Frau zu haben.“Für GATE-Mitarbeiterin Iris Jäger sind derartige Probleme eher frauen- als migrationsspezifisch. Viele der „Schülerinnen“haben Kinder, alle müssen nebenbei noch den Haushalt erledigen. Deshalb spielen die Rahmenbedingungen des Unterrichts eine entscheidende Rolle: von der garantierten Kinderbetreuung bis hin zu einer finanziellen Unterstützung. Jäger kritisiert, daß die Grundbildung „ganz oben“auf der Sparliste des Senats stehe. Zwar wird das Heimfelder Projekt öffentlich gefördert, die Finanzierung über 1999 hinaus ist aber noch nicht gesichert. Eine zeitlich unbegrenzte Finanzierung sei „leider nicht möglich“, meint Sager.

Doch selbst die, die Abitur und Hochschulabschluß mitbringt, hat es als Flüchtling schwer in der Bundesrepublik – ihre Ausbildung wird in der Regel hier nicht anerkannt. Das betrifft zum Beispiel afghanische Frauen, von denen viele hochqualifiziert sind. 21 von ihnen hat das FrauenTechnikZentrum in dem Modellprojekt ARIANA zur Bürokauffrau umgeschult. In Afghanistan hatten die meisten studiert, einige schon jahrelang als Ärztin oder Ingenieurin gearbeitet. „Man muß nicht bei dem ansetzen, was die Frauen nicht mitbringen, sondern bei ihren Kompetenzen“, betont Kursleiterin Patricia Arnold.

Angesichts der Tatsache, daß über die Hälfte aller Migrantinnen keinen Schulabschluß hat, erscheinen derartige Projekte wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. „Aber“, stellt Iris Jäger fest, „die dsMotivation der Frauen ist so hoch, daß einem das nicht klein vorkommt.“