: Wo ist Karadžić?
■ SFOR-Großaufgebot kontrolliert Pale. Nato: Festnahme Karadžićs nicht Ziel
Pale/Brüssel (dpa/AFP/AP) – Mit Panzern, Hubschraubern und mehr als 400 Soldaten ist die internationale Bosnientruppe SFOR gestern in Pale, der Hochburg des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Radovan Karadžić, aufgefahren. Die internationalen Truppen besetzten auch den Eingang zur „Famos“-Fabrik, in der sich früher die Amtsräume von Karadžić befanden. Ein Nato-Sprecher erklärte in Brüssel, es handele sich um eine SFOR-Routineoperation an der Fabrik, die inzwischen von der serbischen Polizei genutzt würde. Diese Fabrik werde einmal wöchentlich kontrolliert. Die Kontrolle sei gestern morgen offiziell von der SFOR in Sarajevo angekündigt worden. Er betonte aber, daß es sich nicht um eine Operation zur Verhaftung von Karadžić handelt. Auch SFOR-Sprecher Louis Garneau erklärte in Sarajevo, die Einheiten sollten lediglich die Arbeit der bosnisch-serbischen Sonderpolizei beobachten. Anwohner in Pale waren hingegen der Meinung, daß eine solche Truppenkonzentration ungewöhnlich sei. Allein sechs SFOR-Fahrzeuge wurden auf der Straße gesehen, die zu Karadžićs Haus führt. Die Belgrader Nachrichtenagentur Beta bezeichnete die Lage in Pale als ruhig. Die örtliche serbische Polizei habe einen normalen Ablauf des Straßenverkehrs gemeldet.
Karadžić ist vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen Völkermordes angeklagt und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Während des Bosnienkrieges war er Führer der bosnischen Serben und wird für Vertreibungen und Ermordungen von bosnischen Muslimen und Kroaten verantwortlich gemacht. Er ist seit mehreren Monaten nicht mehr öffentlich aufgetreten. Dies gab Gerüchten Auftrieb, er habe sich ins Ausland abgesetzt.
Karadžić gilt weiterhin als Führer serbischer Ultranationalisten, obwohl er inzwischen alle politischen Ämter verloren hat. Der internationale Bosnien-Beauftragte Westendorp hatte sich Ende März zuversichtlich geäußert, daß Karadžić „in weniger als einem Monat“ festgenommen und vor das UN- Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gebracht werden könne.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen