: Der Chef triumphiert spielend
Beim souveränen Sieg gegen Südafrika gewöhnen sich Boß Boris Becker und seine Spieler Kiefer und Haas an ihre neuen Rollen im deutschen Davis-Cup-Team ■ Aus Bremen Fritz von Klinggräf
„Boris, danke für 14 Jahre Spannung“, hieß es auf einer kleinen Banderole, die zwei ältere Damen in der Bremer Stadthalle in die Höhe hielten. Ein etwas voreiliger Abschied, denn zwar debütierte Boris Becker beim Davis-Cup- Match gegen Südafrika als Teamchef der deutschen Equipe, für ein bißchen Spannung auf dem Platz sorgte er trotzdem noch. Im Doppel holte er mit seinem Doppelpartner David Prinosil am Samstag abend durch ein 5:7, 6:4, 6:4, 6:3 gegen Ellis Ferreira und David Adams den dritten Punkt für seine Mannschaft und machte damit frühzeitig den Einzug ins Viertelfinale perfekt. Frisch geliftet, hat das deutsche Tennis wieder einen prominenten Platz auf der Weltkarte eingenommen.
Dabei hätte Becker selbst die Sache fast verpatzt, bevor sie richtig losgegangen war. Die beiden Einzel gegen die Nummer eins der Südafrikaner, Wayne Ferreira, so hatte er vorher in der Öffentlichkeit getönt, könne man vergessen. Nicht gerade eine Vertrauensbekundung für die beiden 20jährigen, die auserkoren sind, die Nachfolge der Herren Stich und Becker anzutreten: Nicolas Kiefer und Thomas Haas. Außerdem bedeutete es, daß die Einzel gegen die südafrikanische Nummer zwei, Grant Stafford, unbedingt gewonnen werden mußten. Ein Sieg im Doppel war ohnehin fest eingeplant.
Psychologisch nicht gerade ein kluger Schachzug des Teamchefs, denn die Auslosung ergab, daß Stafford am Freitag den Anfang machte. So trat Gegner Nicolas Kiefer in sein erstes Davis-Cup- Match mit der Gewißheit: Wenn du das hier vergeigst, kann gleich die ganze Mannschaft einpacken. Sagt der Chef. Entsprechend spielte er anfangs und verlor zwei Sätze. Becker, Samstag abend nach drei gewonnenen Matches befragt, ob ihm eine frühzeitige Entscheidung des Wettkampfes schon eher in den Sinn gekommen wäre, sagte: „Ja. Nach den ersten beiden Sätzen von Kiwi dachte ich: Das könnte schon das Ende sein.“ Da stand er dem Kiefer wieder auf dem Fuß; der aber sagte nichts und grinste schräg.
Gegen Ende dieser ersten beiden Sätze des Jungstars hatte Becker für ein paar eigene Ballwechsel die Halle verlassen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Gesichtszüge des Debütanten auf dem Spielfeld in der zu diesem Zeitpunkt längst nicht ausverkauften Bremer Stadthalle weich geworden, die gekonnten Fußballeinlagen waren ihm vergangen und – zuvor kaum vorstellbar – er suchte Blickkontakt zum Seitenrand, wo im Kader eine Lücke klaffte. Nach einer Viertelstunde stand Becker aber plötzlich wieder auf der Bühne und bedachte noch den einfallslosesten Return von Kiefer mit Standing ovations. Und nach dem dritten Spiel im dritten Satz stand es plötzlich 2:1. Danach lief alles ideal: Kiefer gewann sein Match in fünf Sätzen, Thomas Haas („Ich habe sensationell gespielt“) zeigte gegen Wayne Ferreira anschließend Tennis vom Allerfeinsten, und am Samstag abend gewann nicht nur Boris' Lieblingsfußballclub in Bremen gegen Werder, sondern direkt anschließend auch noch er selbst im Doppel.
Kein tragisches Debakel also beim ersten Davis-Cup-Wochenende in diesem Jahr. Die verpatzten Sätze von Kiefer waren der Schuß reality in einer fast perfekten Show des neuen deutschen Tennisteams. Der Chef wird weiterhin den Primus inter pares spielen, selbst wenn das auf Kosten des wichtigsten Partners, den Pay-TV- Sender Premiere, geht: Statt am Seitenrand schlaue Kommentare in die Kamera abzugeben, hockte er im Kader und spielte den Claqueur. Und auf den Pressekonferenzen erschien er erst nach dem eigenen Match. „Ein Lernerfolg, auch für uns“, gestand der Premiere-Moderator die Niederlage ein. Weil Becker sich als Aktiver präsentierte „und nicht als Chef“, kam der Fernsehsender kaum zum Zug.
Boris Beckers erster Schritt vom Spieler zum Top-Manager im Deutschen Tennis Bund (DTB) ist dennoch geglückt; Business as usual heißt jetzt das Motto. Auch und vor allem für Kiefer und Haas. Die verabschiedeten sich auf vorerst sicheren Plätzen als Deutschlands Einzelkämpfer erbarmungslos von ihrem letzten bißchen Coolness. „Es ist etwas ganz Besonderes, für Deutschland zu spielen“, stellte Thomas Haas fest, „wie ein Traum, der in Erfüllung geht.“ Für Sponsor Nike bestimmt.
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