■ Kommentar: Rastloses Kunstevent
Jetlag, dieses Wort wird man sich für die künstlerischen Aktivitäten im kommenden Herbst merken müssen. Es meint Schwierigkeiten mit dem Zeitunterschied, die Müdigkeit, die entsteht, wenn man schlaflos die Nacht von New York nach Berlin durchfliegt und dabei Zeit verliert. Die drei KuratorInnen der für Oktober geplanten „Berlin Biennale“, Nancy Spector, Klaus Biesenbach und Hans-Ulrich Obrist, sind schon jetzt müde. Sie arbeiten an Museen in Paris, Berlin und New York, stellen in Wien oder Tokio aus. Die Omnipräsenz im globalen Netzwerk soll zwar ihrem Projekt in der Kunst-Hauptstadt zugute kommen, doch statt bloß Objekte zu präsentieren, will man die Biennale als eine unendliche Recherche anlegen, die noch den städtischen Wandel während des Ausstellens gleich mitthematisiert. Man meint es offenbar ernst mit der neuen Kunstmetropole.
Getragen wird diese Vorstellung auch von der parallel zur Biennale stattfindenden Kunstmesse „art forum“. Während internationale Sammler, Galeristen und Besucher am ersten Oktoberwochenende die Messehallen bevölkern, soll im Haus der Kulturen ein Kongreß-Marathon abgehalten werden – Diskurs rund um die Uhr, denn es geht um „geballte Ereignisse“. Hier aber ist Skepsis angebracht: Die Idee, langfristige Veränderungen Berlins in einem knalligen Event zu bündeln, zeugt eher von der allzeit verfügbaren Dienstleistungsmentalität der Beteiligten als vom reflektierten Umgang mit den komplexen Problemen einer Metropole. Wenn die Biennale nicht in einem großen Jetlag eines rastlosen Kunst-Jet-sets enden soll, wird man noch reichlich an dem Konzept arbeiten müssen. Ansonsten bekommt Berlin nur ein eigenes Oktoberfest, pünktlich zum Tag der Deutschen Einheit. Harald Fricke
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