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Denken ist Arbeit

■ Das Magazin „Telepolis“ wird zwei Jahre alt

Chefredakteur Florian Rötzer ist Realist. „Telepolis“ habe „keine Basis im wirklichen Leben“, sagt er. Sein Arbeitszimmer sieht ganz danach aus. Berge von wildverstreuten Papieren, Konvoluten und Büchern zeugen eher von Chaos denn von Aufklärung. Aber „aufklärerisch, was die „relevanten Erscheinungen im Umkreis der globalen Medien- und Netzkultur“ betrifft, solle das Online- Magazin schon sein. Es kann seinen zweiten Geburtstag feiern. Neben Rötzer selbst beschreiben unter www.telepolis.de/tp Autoren aus aller Welt die Facetten der Informationsgesellschaft. Kaum eine wissenschaftliche Disziplin fehlt. Ob es sich um Stefan Krempls „Cops im Cyberspace“ oder um eine 15 Artikel umfassende Serie zum Thema „Klonen“ handelt – Telepolis fordert Denk- und Lesearbeit. Auf das Gesetz, wonach im Netz nur kurze Texte zu veröffentlichen sind, legt Rötzer keinen Wert. Für ihn wäre das ein Abstieg in die „Häppchenkultur“. Daher werden die ellenlangen Werke zum Download angeboten.

Das bewahrt manche Autoren nicht davor, daß „ohne Not in Nonsens hineinbramarbasiert wird“, wie Klemens Polatschek in der Zeit anmerkte. Unterhaltsamer sind die Rubrik „Kunst“ und der interaktive Fortsetzungsroman „Emails von Wilhelm Tell“. Seinen Ursprung und Namen verdankt Telepolis dem Ausstellungs- und Konferenzprojekt „Telepolis – die interaktive und vernetzte Stadt“, das im November 1995 in Luxemburg vom Medienlabor München im Auftrag des Goethe-Instituts unter maßgeblicher Beteiligung von Rötzer durchgeführt wurde. Finanziert wird das werbefreie Projekt vom Hannoveraner Heise- Verlag, der unter anderem die Computer-Bibel „c't“ herausgibt. Heise sieht dieses Engagement als eine Ergänzung zu seinen technischen Publikationen an.

Auf rund 500 Artikel ist das Archiv inzwischen angewachsen. Trotz aller Netzphilosophie gleicht die Navigation online ein wenig dem Chaos in Rötzers Arbeitszimmer. Aber online soll ja nicht alles bleiben. Seit einem Jahr erscheint in Zusammenarbeit mit dem Kölner Bollmann Verlag die vierteljährliche Druckausgabe. Sie enthält die wichtigsten Beiträge fertig gedruckt zum Einordnen in die klassische Hausbibliothek. Thomas Mrazek

mrazek@gmx.de

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