: Der Tag für Tränen
■ Schluchzen am Karfreitag: Alter Mann in Brieffreundschaft mit jungem Mädchen ("Eine Herzensangelegenheit", Fr., 17.10 Uhr, ZDF)
Eine Herzensangelegenheit war der Film mit der 72jährigen Theatergröße Martin Benrath („Jedermann“) dem ZDF nicht gerade. Als er 1996 fertig war, erinnert sich Produzentin Katharina Trebitsch, der das Stück über das Verhältnis alter Leute zum entschwindenden Rest der Welt dementgegen sehr wohl am Herzen lag, habe man „beim ZDF sehr auf ,jung‘ gesetzt“.
Beim krampfhaften Schaulaufen der Mainzelmänner gegen das zähe Pech-Image vom „Kukident- Sender“ wollte sich seitdem aber auch partout kein 20.15-Uhr-Sendetermin finden lassen. Bis jetzt jemandem der Karfreitag einfiel. Daß da die echte Prime time zwar ebenfalls dringend anderweitig vergeben werden mußte, natürlich passend an ein „Rendezvous mit dem Tod“, versteht sich ja von selbst. Aber das Geniale am Karfreitag ist, daß praktisch den ganzen Tag lang Prime time ist für sinnsuchende Sachen, die irgendwie mit Tod und Tränen zu tun haben. Also schluchzen wir uns zwischen dem schwer feuchten Religions-Uraltschinken „Das Gewand“ und der Trostspenderstory für Gebeutelte „... und ob ich schon wanderte im finsteren Tal“ in die letzten Lebensmonate des alten Franz Maus.
Der ist mal Journalist gewesen, hat als einzigen Gegenstand seine alte Schreibmaschine ins Altersheim mitgenommen und beginnt, da ihm Bastelstunden und das ganze Betreuungsgetue dort ein Greuel sind, schließlich auf eine Annonce im Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung hin eine Briefromanze mit einer Sechzehnjährigen.
Daß er dazu in die Rolle des Zivis schlüpft, der ihn versorgt, muß zwar irgendwann einmal auffliegen, aber bis dahin ist die Fernbeziehung zu der erfrischend jungen Marie („Girl friend“ Johanna Klante) sein Lebenselexier. Erfreulicherweise gibt es vor dem unvermeidlichen Schlußschneuzen zu endgültig kraftlos darniedersinkender Seniorenhand und verwehendem Herbstlaub im Park immerhin auch eine ganze Menge skurrile und sarkastisch-komische Sequenzen. Denn Benrath gibt den eigensinnigen Alten mit trockenem Humor. Und die Regie oblag Gert Steinheimer, der ein Liebhaber schwarzer Komödien ist.
Allerdings gehen bei der medialen Transkription ein paar Ebenen der literarischen Vorlage verloren. Autorin Roswitha Quadflieg (Tochter von Will Q.) war es darin mehr um Selbstreflexion mit Altern und Tod als die neben Depression und Aggression würdigste Daseinsform zu tun.
Das Ende ihres Buches ist kein bißchen melodramatisch. Da stirbt der alte Franz Maus nicht – er denkt. Ulla Küspert
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