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Fusionen amerikanischer Banken lassen auch in Deutschland Kurse steigen. Erhofft werden Synergieeffekte und Rationalisierungen. Dabei sind die deutschen bereits Universalbanken, ein Status, den die amerikanischen Geldinstitute nun anstreben Von Hermannus Pfeiffer

Erst universal, dann global

Lernt Amerika von den Bayern? Jedenfalls überstürzen sich jetzt in den USA die Finanzfusionen wie zuvor im Freistaat. Dort war 1997 die Megaverschmelzung der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank mit der Bayerischen Vereinsbank eingeleitet worden, und im November stellte die Münchner Allianz ihren Übernahmeplan für den französischen Versicherungsriesen AGF vor. Erst vor einer Woche hatte dann die amerikanische Citicorp bekanntgegeben, mit dem Versichererer Travelors Group den international größten Finanzkonzern zu schaffen. Einen Tag später kaufte der US-Versicherer Conseco die auf Risikokredite spezialisierte Greentree Financial durch Aktientausch für 7,6 Milliarden Dollar. Jetzt zeichnen sich zwei neue Großfusionen ab: Die Bank von Amerika und die Nations Bank wollen sich über eine 60-Milliarden-Dollar-Transaktion zusammenschließen. Im Mittleren Westen rüsten sich die Bank One sowie die First Chicago zur noblen Geldhochzeit, an deren Ende das sechsgrößte amerikanische Kreditinstitut stehen soll.

Schwappt demnächst die Fusionswelle zurück nach Deutschland? Kurioserweise konterkarieren die aktuellen Meldungen fast alle gängigen Lehren der Unternehmensberater: Telekommunikation und E-Commerce zwingen die Unternehmen angeblich, ihre „Kern-Kompetenzen“ auszubauen, behauptete Andersen Consulting in New York am Tag der Fusionsbekanntgabe. Übrige Tätigkeitsfelder sollten verkauft und an spezialisierte Partner ausgelagert werden. In der amerikanischen Geldbranche ist es aber gerade die Telekommunikation, welche die neuen Zusammenschlüsse vorantreibt. Anders als in Deutschland besteht ein großer Nachholbedarf bei Investitionen in moderne Computer- und Kommunikationstechnik. Die bargeld- und schecklosen elektronischen Zahlungssysteme sind in den USA kaum den Kinderschuhen entwachsen. Die alsbald anstehenden hohen Investitionen erfordern superpotente Finanzkonzerne, das sind aber gerade viele US-„Regionalbanken“ nach der Bankenkrise in den Achtzigern nicht mehr. Obendrein zeichnen sich nun auch in den Vereinigten Staaten erhebliche Überkapazitäten ab: zu viele Banken und Versicherungen teilen sich zu wenige Kunden. Aber selbst Rationalisierungen kommen im ersten Schritt teuer und verlangen nach Milliardeninvestitionen. Zugleich versuchen immer mehr ausländische Konkurrenten, auf dem amerikanischen Markt heimisch zu werden, und in umgekehrter Richtung versuchen sich US-Banken auch als Global Player.

Die Finanzbranche ist, anders als Industrie und Dienstleister, inzwischen tatsächlich in einem Maße internationalisiert, daß von einer Globalisierung gesprochen werden kann. Gerade im Großkundengeschäft und bei der Investmentanlage für private und institutionelle Vermögen setzt dies aber eine geographische und Service-Omnipräsenz voraus, die nur einige wenige weltweite Finanzgiganten anbieten können. In den USA wird damit gerechnet, daß am Ende der laufenden Fusionswelle nur noch fünf, sechs Institute von nationalem Rang eigenständig überleben. In Europa dürfte das Fusionsrennen langfristig ähnlich auslaufen.

Obendrein liegen amerikanische Finanzfusionen im dortigen System begründet. Seit dem Glass- Steagall-Act von 1933 steht eine dicke, feste Trennwand zwischen normalen Geschäftsbanken, Wertpapierhäusern und Investmentgesellschaften. Erst Anfang April scheiterte der elfte Versuch in 20 Jahren, das amerikanische Bankensystem zu modernisieren. Die jetzt angekündigten Fusionspläne stehen daher teilweise unter dem Vorbehalt einer grundlegenden Gesetzesreform.

Ob die Pläne insbesondere von Citicorp tatsächlich die hohen Hürden der Aufsichtsbehörden überspringen, bleibt abzuwarten. Folglich dienen die aktuellen Verlautbarungen wohl auch dem politischen Druck auf Finanzministerium und Notenbank, die sich zuletzt in einigen Punkten uneins zeigten.

Klare Zielvorgabe ist das deutsche Universalbank-System! Jenes erlaubt fast alles unter einem Dach – vom Konsumkredit bis zur Streuung der Lufthansa-Aktie, von der Unternehmensberatung bis zur Lebensversicherung und vom Bausparen bis zur Gründung eines Investmentfonds. Hauptvorteil: Es können Risiken rigoros über Branchen und Regionen gestreut werden, und verdient wird dann dort, wo die Geschäfte gerade florieren! Das deutsche Universalbank-System hat zudem eine besonders innige und profitable Verflechtung der Geldgiganten mit „ihrer“ Industrie hervorgebracht. Der hiesige Sonderstatus hat es deutschen Großbanken erlaubt, in zwei Jahrzehnten zu einem führenden Global Player heranzuwachsen. Die deutsche Finanzbranche gibt sich denn auch gelassen. Die Deutsche Bank ist mit ihrem Bilanzvolumen von 1,1 Billionen D-Mark, einer hausinternen Rationalisierungsoffensive, die demnächst zusätzlich 9.000 Arbeitsplätze kosten soll, und ihren in den Neunzigern in Banktechnik und Kommunikation investierten Milliarden längst für die erste Weltliga gerüstet. Zunächst freuen sich die deutschen Universalbanken aber, daß sie auch von wachsenden Börsenkursen profitieren können: Die Meldungen aus den Vereinigten Staaten stimulieren hiesige Fusionsphantasien der Anleger und damit die Aktienkurse der Großbanken. Deutsche, Dresdner und Commerzbank legten gestern an den Börsen bis zu 4,85 D-Mark kräftig zu.

Wenngleich Deutsche Bank & Consorten wohl gerüstet erscheinen, werden sie mittelfristig dem Fusionsdruck auf den globalen Märkten gerne nachgeben: Schon in der Vergangenheit wurde insbesondere in Westeuropa und London groß eingekauft. Vor solcher Einkaufslust dürften bald auch amerikanische Banken nicht gefeit sein. Hierzulande steht der Abschluß der Bayern-Fusion an, wodurch ein Multi mit einer Bilanzsumme von 800 Milliarden Mark entsteht.

Spätestens im kommenden Euro-Land kann dann ein weiteres Zusammengehen der Bayern- Gruppe mit der Dresdner Bank und der Allianz erwartet werden, auch weil damit der Wettbewerbsrahmen noch großzügiger wird. Der weltweit führende Assekuranzgigant Allianz ist auch Großaktionär beider Bankengruppen. An der Allianz wiederum hält die Deutsche Bank einen Anteil von zehn Prozent. Fusionen hätten also freie Bahn.

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