: Sammelsurisches Aquarium
■ Beim Fischmarkt Open Air wagen sich deutsche Bands ins große Becken
„Fischmarkt-Open-Air“ klingt schön objektiv. Kaum jemand wird sich darüber lustig machen. Wenn andernorts deutsche Pop- und Rocktreibende zum Tanze bitten, sind wir nach Spott dürstende Motti wie „Rock am See“ oder „Schulschluß-Open-Air“ gewohnt. Fischmarkt aber geht – ist ja auch in Hamburg. Und beinahe alle deutschen Gymnasiasten-Rock-Bands dürfen dort auftreten.
Allen voran Fury in the Slaugh-terhouse. Schon im Frühjahr überzeugten sie uns davon, daß ihr windelweiches neues Album sich sehr wohl eignet, gefällige Geselligkeit zu verbreiten. Euphorie. Der ihnen stets attestierte Stadionrock darf nun im Freien getestet werden: auf Stadionkompatibilität. Der Auftritt in der Sporthalle zeigte damals schon Tendenzen zur Auto-Apotheose. „Hallo, wir sind nachdenkliche Rockstars. Hallo, wir sind Fans der ersten Stunde und pissen uns vor Lachen gleich in die Hose.“
Erfreulich dagegen die musikalische Kurskorrektur von Terry Hoax. Dem simplen Schweinerock der letzten Platte haben sie nun die Rücklichter gezeigt und erstaunen auf ihrer bald erscheinenden neuen Platte durch musikalische Artenvielfalt. Funky ja, soulig rockend auch, peinlich dafür nicht. Prima Entwicklung, das wird rocken.
Wir mit nationaler Trendmusik gesegneten Hamburger belieben ja zu spotten über die triefenden Bemühungen deutscher Rockbands, die, etwa von Hannover aus, im seichten Mainstreamgewässer vor Anker gehen. Doch auf dem Fischmarkt-Open-Air wird Hamburgs Rock-Unvermeidbarkeit Selig (Foto) samt Body-Painting uns den vorlauten Mund zurocken. Da lebt Wolf Maahn wieder auf, die Doors und Hendrix erleiden knödelige Auffahrunfälle.
Wird es auch Sonne auf dem Fischmarktgelände geben? Wir wollen es schwer hoffen, denn zum einen scheint die behende groovende Jazzkantine, ein fröhliches Konglomerat deutscher HipHopper, im Regen kaum vorstellbar, und zum anderen geraten Rock-Open-Air im Regen schnell zu emphatischen Gesinnungskundgebungen.
Schade natürlich, daß die beteiligten Bands kaum Platz einräumen für tiefschürfende Erläuterungen und Analysen, es gibt kaum etwas zu sagen. Deshalb – und nur deshalb – sollte man vielleicht mit taz-Gepflogenheiten brechen und zum Begriff Fischmarkt assoziieren, sich via Fisch-Analogien dem Charakter der Bands nähern.
Fury sind vielleicht Forellen, halten sich gleichwohl für tolle Hechte, Terry Hoax mögen im direkten Vergleich als schillernde Karpfen durchgehen und mit Selig schwimmen klassische Rotaugen über die Bühne. Die Jazzkantine dagegen entspricht einem Eimer mit Krebsen, Muscheln Sand und Netzfragmenten, den wir fröhlich lachend über Bord werfen.
Benjamin v. Stuckrad-Barre Fury in the Slaughterhouse/Terry Hoax/Selig/Jazzkantine & Gäste, Freitag, 4. August, Container-parkplatz am Fischmarkt, von 16 bis 22 Uhr
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