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„Und dann sah man nur noch schwarze Köpfe“

■ Polizeilicher Vertrauensstifter sah sich in der Ausländerbehörde bedroht

Eigentlich ist George K., 47, bei der Polizei, um Ausgleich zu stiften. Auf der Revierwache 11 am Hauptbahnhof ist der Ghanaer eigens dazu angestellt, Konflikte zwischen Schwarzafrikanern und deutschen Polizisten zu begleiten und zu schlichten. Im vergangenen Herbst hat er selber Ärger mit Asylsuchenden bekommen, dessen juristisches Nachspiel gestern im Amtsgericht begann. Auf der Anklagebank saß Inchala W., der sich wegen des Vorwurfs der Bedrohung, gemeinschaftlich begangen mit mindestens sieben weiteren Personen, verantworten mußte.

Am 13. Okober 1994 hatte Herr K. die Ausländerbehörde besucht, um Behördenangestellten von seinen Erfahrungen mit den spezifischen Problemen von Asylsuchenden zu berichten. Als er nach einem Gespräch mit einer Sachbearbeiterin auf den Flur der ersten Etage trat, wo die alltägliche angespannte Stimmung herrschte, sollen einige wartende Schwarzafrikaner Herrn K. übel beschimpft und bedroht haben: „Du gehörst nicht mehr zu uns, du bist ein Verräter, wir bringen dich um.“ In verschiedenen Sprachen seien Verbalinjurien auf ihn herniedergeprasselt, so daß er sich ins Geschäftszimmer flüchtete.

„Ich weiß nicht, warum ich angeklagt bin“, gab der Angeklagte W. gestern auf französisch zu Protokoll. Er habe ganz normal auf dem Flur gewartet, plötzlich seien Polizisten gekommen und hätten ihn abgeführt. Diese Schilderung bestätigten auch die Zeugen M. und G., deren Personalien ebenfalls festgestellt worden waren. Herr K. hatte sie gegenüber den Polizeibeamten, die binnen weniger Minuten erschienen waren, als Beteiligte des kleinen Aufruhrs bezeichnet.

Von der mutmaßlichen Attacke selbst aber hatten auch die beiden Polizisten, die gestern ebenfalls als Zeugen aussagten, schon nichts mehr mitbekommen. Weitere Beteiligte seien vermutlich geflohen. Einen Menschenauflauf habe es vor dem Geschäftszimmer nicht mehr gegeben, ungehindert seien sie zu dem vermeintlich Bedrohten ins Zimmer getreten, um anschließend die Personenkontrollen respektive Festnahmen auf Anweisung des Herrn K. vorzunehmen.

Den „Anschlag“, so heißt der Vorgang in den Akten, auf Herrn K., der zur Zeit im Urlaub ist, konnte gestern immerhin eine Zeugin bestätigen. Sonja I., 25jährige Sachbearbeiterin im Buchstabenbereich A bis E der Ausländerbehörde, schilderte, daß sie mit Herrn K. aus ihrem Zimmer getreten sei, und dann „sah man nur noch 20 bis 25 schwarze Köpfe, die uns anstarrten.“ Rangeleien habe sie schon öfter mal erlebt, „aber einen Ansturm in der Masse“ noch nicht. Trotz dieser Masse aber könne sie sich an die Person des Angeklagten, der mittlerweile eine ganz andere Frisur trägt, genau erinnern.

Während die Übersetzerin dem 16jährigen W. mit gedämpfter Stimme den Prozeßverlauf übersetzte – zwischenzeitlich wechselte sie für den Zeugen M. auch ins Englische –, schien der Vorsitzende Amtsrichter Klaus-Ulrich Tempke in immer tiefere Nachdenklichkeit zu versinken.

Doch schließlich wurde der normalerweise für straffe Prozeßführung bekannte Jurist wieder munter. Die Aussagen des urlaubenden Herrn K. und des Sicherheitsbeamten R. wollte er in deren Abwesenheit verlesen lassen, um den Prozeß abzukürzen.

Das allerdings lehnte W.'s Anwalt Thomas Piplak ab, nun wird die Verhandlung um die Folgen herbstlicher Kurzschlußreaktionen am 10. und 21. August fortgesetzt.

Julia Kossmann

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