: Privat verrechnet?
■ Gutachter halten Privatisierungspläne von MDR-Chef Udo Reiter angeblich für Unsinn
Die Geschäftsleitung des Mitteldeutschen Rundfunks gibt sich zugeknöpft. „Wir müssen erst intern zu einer Entscheidung kommen, bevor wir uns extern räuspern“, teilte MDR-Sprecherin Susann Knoll mit. Die Verschwiegenheit könnte gute Gründe haben: Eben haben die groß angekündigten Privatisierungsvorhaben des MDR einen Dämpfer bekommen. Das behauptet jedenfalls der Personalrat.
Demnach kommt die Unternehmensberatung Roland Berger in einer Studie für den MDR zu dem Schluß, daß es sich nicht lohnt, die gesamte Hörfunk- und Fernsehtechnik in der Leipziger MDR- Zentrale an private Tochterfirmen auszulagern. Eben diese Pläne rühmte der MDR-Intendant und ARD-Vorsitzende Udo Reiter als den Königsweg zum „schlanken“ öffentlich-rechtichen Rundfunk.
Schon vor zwei Jahren verkündete der Intendant, im Prinzip könne eine Rundfunkanstalt alles privatisieren – außer Geschäftsleitung, Redaktion und der Einzugsstelle für Rundfunkgebühren. Durch unbewegliche Personalkosten seien andere Sender „betoniert“. Die Rechnung: Wenn eine Sendung abgesetzt wird, hat die Privatfirma den Ärger mit Personal und Technik und nicht der MDR, der Leute ewig weiterbeschäftigen müßte. Vergangenes Jahr verlagerte Reiter schon die Fernsehtechnik seines Erfurter Funkhauses an eine Tochtergesellschaft. Die übernahm Kamera, Schnitt und Studiotechnik gleich für den ebenfalls in Erfurt ansässigen ARD/ZDF-Kinderkanal.
Grundsätzlich könne er es so mit dem ganzen MDR machen, glaubte Reiter. Die Berger-Studie sollte nur noch unbelehrbare Kritiker verstummen lassen, darunter die Belegschaftsvertreter. Ausgerechnet die zitieren jetzt als erste die Ergebnisse der Unternehmensberater: Deren Bericht votiere „eindeutig gegen Auslagerungen“, so ein Personalrat-Rundschreiben. „Für fast alle untersuchten Bereiche ergibt sich, daß eine Auslagerung mit großer Wahrscheinlichkeit zu finanziellen Mehrbelastungen für den MDR führen würde.“ Allenfalls die Technik in den Landesfunkhäusern fern der Zentrale könne unter bestimmten Bedingungen zur Privatisierung empfohlen werden.
Die Unternehmensberatung prüft seit Herbst, ob eine Technikprivatisierung unter rechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll sein kann. Dabei hätten sich zusätzliche Steuerkosten in Millionenhöhe ergeben, heißt es nun im MDR. Denn normalerweise muß ein öffentlich- rechtlicher Sender keine Steuern zahlen. Doch für jedes Kamerateam, daß der MDR bei einer privatwirtschaftlichen Tochterfirma anmietet, schreibt die ihm Mehrwertsteuern auf die Rechnung.
Andere Bedenken hatten Rundfunkrechtler schon vorher geäußert. Sie fürchten, daß die öffentlich-rechtliche Anstalt ihren Programmauftrag nicht unabhängig erfüllen kann, wenn sie sich von Privatfirmen abhängig macht.
Der Berger-Bericht könnte nun Reiters Lieblingprojekt torpedieren, mit dem er gleichzeitig Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf einen Gefallen tun könnte. Der nämlich will aus Leipzig einen Medienstandort machen. Reiter hatte unlängst bereits eine Filmproduktion mit Leo Kirch gegründet. Weitere Töchter, die aus privatisierten MDR-Abteilungen hervorgehen, könnten dann auch für andere TV-Stationen arbeiten, so die Idee der Standortpolitiker.
Angesichts der Bedenken hat Reiter sich und seinem Direktorium erst mal Klausursitzungen verordnet. „Er wird bloß irgend etwas auslagern müssen, um nicht das Gesicht zu verlieren“, prophezeit ein Beteiligter schon den Rückzug. Die Studie, widerspricht ein Dresdner CDU-Politiker, müsse „nicht gleich einen Kurswechsel bedeuten“.
Unterdes beäugen die anderen ARD-Intendanten gespannt, was aus Reiters Plänen wird. Und die unabhängige Gebührenkommission KEF, die die Finanzen der Sender ständig auf Einsparmöglichkeiten abklopft, will das Thema „Outsourcing“ bei einer Anhörung im Herbst erst einmal genauer beleuchten. Der KEF-Vorsitzende Reiner Conrad ist jedenfalls skeptisch: „Das muß nicht immer Vorteile bringen“, sagte er jüngst. Georg Löwisch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen