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Musikalische Mogelpackung

■ Charlie Mariano war bei seinem KITO-Konzert nur Mitspieler

„Was drauf steht, muß auch drin sein“ist eine Regel, die sowohl in der Geschäftswelt wie auch in den Künsten gelten sollte. Wird sie gebrochen, spricht man von einer Mogelpackung, und solch eine gab es jetzt in Konzertform im KITO zu hören. Charlie Marianos „neuestes musikalisches Projekt Nassim“war angekündigt worden, und tatsächlich saß der Saxophonist mit drei anderen Musikern auf der Bühne – so weit, so wahr!

Aber schon nach den ersten Takten stellte sich heraus, daß Mariano eindeutig der unwichtigste Solist der Gruppe war: Die beiden nordafrikanischen Brüder Chaouki und Yahia Smashi bestimmten auf der Oud (einer arabischen Laute) und der Handtrommel den Grundton des Konzerts, und der Crossover von arabischen und andalusischen Musiktraditionen zum modernen Jazz gelang dem amerikanischen E-Bassisten Dave King viel wendiger und eleganter als dem vermeintlichen Projektleiter Charlie Mariano.

Dabei schien dieser der ideale Initiator für solch ein Projekt: Der seit langen Jahren fast ausschließlich in Europa tätige Jazzer ist „den langen Weg durch die asiatische Musik und Religiosität gegangen“(Joachim Ernst Berendt) und hat auf seinem Altsaxophon einen immer etwas quäkenden Sound, der an die asiatischen Blasinstrumente erinnert. Aber am Freitag abend spielte er so sparsam und glanzlos, daß das Konzert auch ohne ihn nicht viel anders geklungen hätte. Vielleicht hatte er einen schlechten Tag, er wirkte auch etwas kränklich auf der Bühne, aber das Konzept und die Kompositionen der Gruppe stammten offensichtlich von den Smahi-Brüdern.

Diese spielten nun allerdings so inspiriert und vielseitig, daß die Irritationen im Laufe des Konzerts in den Hintergrund traten. Marokkanische Balladen, Rhythmen von den Tuareg aus der Sahara und Elemente aus der modernen algerischen Rai-Musik wurden auf den klassischen nordafrikanischen Instrumenten sehr frisch und abenteuerlich interpretiert. Meist begann Chaouki Smahi mit einer ruhigen Introduktion auf der unbegleiteten Oud. Wenn dann sein Bruder mit dem rhythmischen Trommeln einsetzte, wurden die Improvisationen der beiden immer freier und jazziger, bis schließlich Bassist Dave King einstimmte, meist ein sehr melodisches Solo beisteuerte, das im Stil zwischen Jaco Pastorius und Steve Swallow oszillierte, und dann gab Mariano noch sein Pflichtsolo dazu. Eine wirkliche Synthese war dieses Crossover nur selten, und einige Stücke spielten die Brüder auch ganz traditionell als Duo.

Es war also ein eher zwiespältiger Abend, bei dem man den Verdacht nicht los wurde, Mariano habe in erster Linie mit seinem Namen gelockt. Begeistern konnten mit einigen Soli dagegen seine drei jungen, noch unbekannten Mitspieler. Sie sorgten für ein wenig „Nassim“– das arabische Wort für Morgenbrise. Wilfried Hippen

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