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Beamte duschen nicht im Dienst Von Ralf Sotscheck

Es gibt merkwürdige Hotels auf dieser Welt. Die meisten davon stehen in Schottland. Neulich in Glasgow zum Beispiel: Auf dem Bett lag ein Zettel, worauf stand, daß Samantha das Zimmer hergerichtet habe und sich freuen würde, wenn ich zufrieden sei. Das war ich zunächst auch. Dann sah ich einen zweiten Zettel, eingeschweißt in Plastikfolie, auf dem Kopfkissen. In Riesenlettern warnte man mich: „Wenn Sie bei offener Tür duschen, muß das Hotel evakuiert werden!“ Gut, ich bin kein Adonis, aber muß man einem das so gnadenlos unter die Nase reiben? Ohnehin stelle ich mich gewöhnlich nur bei geschlossener Tür unter die Brause. Ob Naomi Campbell hier wohl auch einen solchen Zettel auf ihrem Kissen fände?

Auf meine empörte Nachfrage an der Rezeption erklärte man mir, damit sei die Badezimmertür gemeint. Bliebe sie offen, ziehe der heiße Wasserdampf ins Zimmer, krieche in den Rauchdetektor und löse Feueralarm aus. Und dann müsse man das Hotel räumen. Es sei ein winziger Konstruktionsfehler, aber schließlich sei das Hotel bis vor kurzem ein Büroblock gewesen, und Beamte duschen nicht im Dienst. Ich entschied mich zur Sicherheit für ein lauwarmes Bad, um die Dampfentwicklung möglichst gering zu halten, und schlüpfte danach hastig durch die Tür, die ich nur einen Spalt breit geöffnet hatte. Den Dampf, der dennoch ins Zimmer entwichen war, wedelte ich mit dem Handtuch in Richtung Fenster.

Dabei hatte ich diesmal zehn Pfund mehr für das Hotelzimmer angelegt, weil sich die Billigpension beim letzten Mal als Vorhof zur Hölle entpuppt hatte. Schon bei meiner Ankunft mittags um zwölf waren der Wirt und seine Angestellten sternhagelvoll und versuchten, mich zu einem Gläschen grüner Flüssigkeit zu überreden. Ich lehnte dankend ab und fragte statt dessen nach dem Telefon. Das war ein Fehler: Der Apparat hing in einer sargähnlichen Kiste unter der Treppe. Die beiden Saufnasen bestanden darauf, mir beim Telefonieren zu helfen, und zwängten sich mit mir in den Fernsprechsarg, wo der Alkoholgehalt der Luft so rapide anstieg, daß ich gar nicht mittrinken mußte, um die Englein singen zu hören.

Den Rest des Tages verbrachte ich vorsichtshalber in der Stadt. Als ich spätabends zurückkehrte, huschten die Mäuse auf Schlittschuhen durch mein Zimmer, weil die Temperatur mangels Heizung um den Gefrierpunkt lag. Das sah ich aber erst später, weil das Licht nicht funktionierte. Eine Birne kann kaputtgehen, aber in meiner Lampe war gar keine eingeschraubt. Wutentbrannt machte ich mich auf die Suche nach dem Pensionsinhaber, was nicht weiter schwer war: Man mußte nur dem Schnarchen folgen. Ich fand ihn im hellblauen Pyjama vor dem Fernseher, der seit zwei Stunden das Testbild sendete.

Als ich ihn endlich durch kräftiges Schütteln halbwegs wach bekommen hatte, erkannte mich der Trunkenbold nicht. Was ich in seinem Schlafzimmer wolle, fragte er angstvoll und meinte, daß bei ihm nicht viel zu holen sei. Ich verlangte eine Birne und einen Heizlüfter. Langsam dämmerte ihm, daß ich der Gast aus Zimmer drei war. Erleichtert kramte er eine neue Flasche grünen Pfefferminzlikör und zwei Gläser aus seinem Wäscheschrank. Da ist mir ein lauwarmes Wannenbad doch lieber.

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