: Müssen die Monarchs abdanken?
Weil in der NFL Europe zumindest auf dem Spielfeld Marktgesetze außer Kraft sind, gewinnt der Krösus Frankfurt nur knapp gegen das Armenhaus London ■ Aus Frankfurt/Main Dirk Switalla
Die königliche Großfamilie traute ihren Augen nicht, als sie am Samstag abend gegen 19.00 Uhr im Waldstadion zu Frankfurt einzog. Immerhin 29.000 meist lilagewandete Antiroyalisten waren gekommen, um die American Footballer der England Monarchs gegen die heimische Frankfurt Galaxy verlieren zu sehen. Der für bürgerliche Frankfurter Verhältnisse höchst durchschnittliche Besuch ist fast genau die Zahl von Gefolgsleuten, die das Sorgenkind der NFL Europe aus Großbritannien in der Saison zu allen fünf Heimspielen wird begrüßen dürfen.
Immerhin wirkte die ungewohnte Kulisse motivierend auf die England Monarchs. Das Tabellenschlußlicht verlor zwar sein drittes Match in Folge, zeigte nach zwei peinlich hohen Heimpleiten beim 17:23 nach Verlängerung aber zum ersten Mal eine Leistung, die nicht in die Kategorie „Lachnummer der Liga“ einzuordnen ist.
„Es wurde auch langsam Zeit, daß bei den Monarchs etwas passiert“, kommentierte selbst Liga- Boß Oliver Luck. Die fehlende Neutralität sollte man dem Chef der ehemaligen World League dabei nachsehen. Nach der Umbenennung der Liga in NFL Europe League (Luck: „Ein Adelstitel“) schauen die allgewaltigen Bosse der National Football League (NFL) noch genauer darauf, was der Junior in der alten Welt so treibt. Nur 6.000 Fans pro Partie in England lassen die hohen Herren in New York nicht gerade Freudentänze aufführen.
Oliver Luck steht unter Druck – und zieht sogar eine Abdankung des England-Teams in Erwägung. „Das Problem ist nur: Für die Amerikaner ist London gleich Europa, eben der wichtigste Markt überhaupt“, sagt Luck. Die Monarchs veranstalten deshalb in diesem Jahr eine regelrechte Flucht aus London und testen mit Heimspielen in Bristol und Birmingham neue Märkte. Mr. Luck spricht Klartext: „Wenn es auf der Insel nicht funktioniert, müssen wir woanders hin.“
Zum Beispiel nach Berlin, wo im Jahn-Stadion 1999 ein drittes deutsches Team nach Frankfurt Galaxy und Rhein Fire in der NFL Europe an den Start gehen wird. Die neuen Eierjäger der Hauptstadt haben zwar noch keinen Namen, dafür aber schon jede Menge Zielvorgaben aus der Zentrale. „Der amerikanische Fernsehsender FOX ist begeistert, Sat.1 will die Berliner zu seinem Team aufbauen. Ich erwarte ein positives Signal für die ganze NFL Europe“, so Oliver Luck.
Vom Gedanken einer echten Europaliga scheint man sich langsam zu verabschieden. Drei von sieben Mannschaften werden 1999 in Deutschland beheimatet sein. Bei Zuschauerinteresse und Sponsorengeldern ist die Übermacht der „Teams from Germany“ gegenüber den installierten Spielpartnern in Barcelona, Edinburgh, Amsterdam und London noch viel gewaltiger.
„Wir müssen aufpassen, keine rein teutonische Liga zu werden“, meint Luck. Andererseits: Wer würde schon 1,7 Millionen Mark Sponsor-Cash der Frankfurt Galaxy freiwillig gegen sechs Pfund dreißig aus London (die Monarchs geben keine offiziellen Zahlen bekannt) eintauschen? Die Erbsenzähler in New York sicher nicht. Und deshalb wird mit einer Berliner Mannschaft in der Zweiklassengesellschaft NFL Europe zielstrebig die deutsche Oberschicht ausgebaut. Was übrigens nichts mit der sportlichen Leistung der einzelnen Teams zu tun hat. Das Credo: „Nur wer Geld hat, spielt auch gut“ gilt in jeder Sportliga in Deutschland, nur nicht beim American Football. Begriffe wie Spielertransfers oder Millionenverträge sucht man im Wörterbuch der NFL Europe vergeblich.
Im Gegenteil, die jungen Profis werden mit einem Gehalt von 15.000 bis 20.000 Dollar abgespeist – und dem Traum, es über Europa zu den Fleischtöpfen der „großen“ NFL in den Staaten zu schaffen. Verteilt werden die US-Talente jedes Jahr streng sozialistisch aus einem Spieler-Pool. Noch im Januar wußte kein Trainer, wer ab Anfang April in seiner Truppe mitspielt.
Zumindest sportlich besteht also noch Hoffnung für die England Monarchs. Vielleicht spielt das Team 1999 ja die ganze Liga in Grund und Boden – falls es die Bettelmonarchie dann überhaupt noch gibt.
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