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Besänftigung des Geldes

Geld stand schon immer unter kulturellem Verdacht. Es stinkt nicht, aber ist schmutzig und verdirbt den Charakter. In der literaturWERKstatt in Berlin-Pankow tauschten Ökonomen und Kulturwissenschaftler Ansichten vom Geld. Letztlich ist es doch schön, daß es da ist  ■ Von Harry Nutt

Welche Triumphe einem das Geldausgeben verschaffen kann, zeigt sich an der Kneipenrunde, die am Ende damit überrascht wird, daß schon alles bezahlt ist. Die Beschämung, in der Schuld eines anderen zu stehen, überwiegt die Freude, ein paar Mark gespart zu haben. Beim Verlassen des Lokals wechselt man das Thema. Über Geld spricht man nicht.

Wo es dennoch geschieht, ist ein antimonetärer Affekt nicht zu überhören. Geld ist schmutzig, verdirbt den Charakter oder macht zumindest nicht glücklich. Es steht, so der Essener Medienwissenschaftler Norbert Bolz, unter konstantem kulturellem Verdacht. Der ist auch dann nicht aufgehoben, wenn gelegentlich vom lieben Geld gesprochen wird. Wie El Niño gibt man ihm besänftigende Namen, um seine gewaltigen Kräfte zu bändigen. Das war weitgehend auch die Haltung der Veranstaltung in der Pankower literaturWERKstatt, die den Auftakt zu einer Kolloquienreihe mit dem Titel „Kulturschock“ machte. Scharfe Kapitalismuskritik, in der alle Redner dereinst gewiß unterwiesen worden waren, wehte wie aus einer fernen Zeit heran, in der man die anonymen Kräfte des Geldes noch zu bekämpfen hatte. Norbert Bolz interessierte nunmehr die Frage, wie das Geld funktioniert, wenn es funktioniert, und pries die nützlichen Aspekte des pekuniären Austauschs. Das Medium Geld, so Bolz, entlastet die Gesellschaft von Menschlichkeiten wie Haß, Gewalt und Ressentiment. „Wo Geld die Welt regiert, bleibt uns der Terror von nackter Faust und guter Gesinnung erspart.“ Geld ist der Prototyp der Rationalität. Es ist selbstbezüglich, universell und kommunikativ. Korruption und Gewalt gehören ausdrücklich nicht zum idealtypischen Funktionsmodell des Geldes. Wenn die Mafia die Geschäfte übernimmt, ist das Bolzsche Geldmodell gestört.

Einem Lob des Geldes wollte sich auch der Wiener Volkswirtschaftler und Raumplaner Georg Franck nicht verschließen. Daß Geld immer knapp ist, liegt an seiner hohen Verwendungsfähigkeit. Das Medium Geld werde in unseren Tagen aber immer mehr von der Aufmerksamkeit abgelöst. Ein begehrtes Zahlungsmittel der Kommunikationsgesellschaft sind Informationen. Nicht Geld ist knapp, sondern unsere Zeit und die menschliche Kapazität, die Informationen zu verarbeiten. Monetärer Reichtum ist längst inflationär. Es kommt, so Franck, darauf an, berühmt zu sein. Prominente sind Einkommensmillionäre an Aufmerksamkeit. Die wirklich Reichen, so ein Einwand, legen gesteigerten Wert darauf, unbekannt und unsichtbar zu sein. Das hat weder kulturelle oder anthropologische, sondern praktische Gründe. Unbekannt zu sein mindert das Entführungsrisiko, das nicht wenige Multimillionäre fürchten.

Das vorhandene Guthaben an Ruhm hat in der Regel auch die Dichter nicht davon abgehalten, sich intensiv mit dem Geld zu beschäftigen. Die Literatur ist von dem Thema besessen, bestätigte der Mannheimer Literaturwissenschaftler Jochen Hörisch. Zentrale Werke von Goethe, Thomas Mann, Dostojewski und anderen Großschriftstellern sind Geldromane. Hörisch verwies auf den religiösen Ursprung des Geldes und zog eine direkte Linie zwischen den Leitmedien Abendmahl, Geld und audiovisuelle Medien. Ihrer aller Symbol sei die kreisförmige Scheibe. Hostie, Münze und CD- ROM sind die Tauschwährungen im Schnelldurchlauf der Kulturgeschichte. Hörisch sparte nicht mit verblüffenden Beispielen und beweiskräftiger Etymologie. Die Sprache des Geldes ist religiös gefärbt. An Geld muß man glauben, denn es ist wie die Liebe nur durch sich selbst gedeckt. „In diesem Zeichen wird nun jeder selig“, heißt es in einer Szene Goethes, in der Faust das Papiergeld erfindet. Der Schein hat das Kreuz abgelöst. Noch immer sprechen wir von Schuldnern und Gläubigern, und der Kredit fußt auf der Beglaubigung, das Geliehene einmal zurückzubekommen. Hat ein guter Redner auch gleich recht? Daß die CD-ROM einmal den Status von Hostie und Münze haben wird, darf schon jetzt bezweifelt werden. Aber ist nicht auch das Internet ein Scheibe, irgendwie?

Daß niemand so recht weiß, was das Geld sei, war für die meisten Redner Voraussetzung ihres Anspruchs auf Redezeit. Damit unterscheiden sie sich gar nicht einmal von der Nationalökonomie, für die das Geld, einer Metapher von Milton Friedman zufolge, aus einem Helikopter vom Himmel herabgeworfen wird. Die Arbeit der Ökonomen beginnt erst, wenn es unten ankommt. Gut, daß jemand eingeladen war, der am Ende doch noch zu wissen behauptete, was das Geld sei. Der Berliner Wirtschaftswissenschaftler Hajo Riese definierte Geld kurzerhand als ein ultimatives Medium der Kontrakterfüllung. Letztlich will man Geld sehen, beendete er alles Spekulieren über fiktives Kapital und das Geraune über den bösen Markt der Börse. Rieses Hierarchie der Einsicht über das Geld formulierte er so: Jeder Laie weiß es, Nichtökonomen ahnen es, und die Ökonomen haben keine Ahnung. Geld jedenfalls biete die Sicherheit des Ausweises zur Kontrakterfüllung.

Das viele Reden über das gute Geld muß den letzten Vortragenden, Horst Kurnitzky, Autor, Architekt und Filmemacher, viel Zurückhaltung abverlangt haben. Er bekräftigte die Triebstruktur des Geldes und beharrte auf den bösen Kräften, die ihm eben doch innewohnen. Der Markt ist aus Opferverhältnissen und Verbrechen entstanden und fuße nicht zuletzt auf Gewaltmanagement.

Da keimte sie noch einmal auf, die gute, alte Kapitalismuskritik. Aber so richtig streiten mochte nun niemand mehr. Schließlich bekannten sich alle Anwesenden zur Sozialdemokratie. Bolz und Hörisch werden demnächst für die SPD in den Wahlkampf ziehen. Kein Grund zur Sorge also. Zeit, nach Hause zu gehen. Der Kaffee kostete 2,50 Mark, und bei Sozialdemokraten muß jeder selbst bezahlen.

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