: Wie eine Fahrt in der Geisterbahn
■ betr.: Osterausgabe der taz
Diese Ausgabe war (fast) uneingeschränkt Spitzenklasse. Nicht wegen des Kuriositäts- und Unterhaltungswertes (hat sie auch), sondern weil sie überwiegend von Leuten gemacht ist, die ihr Metier kennen und obendrein lesbares Deutsch schreiben. Etwas überspitzt gesagt – und ohne den taz- Profis auf die Füße treten zu wollen – journalistisch klasse, weil nicht von Journalisten gemacht.
[...] Die Einschränkung betrifft natürlich die seltsamen Produkte der Harems-Gruppe; wo nur noch Zuversicht ist und keine Hoffnung, da rasen die Ekstasen... Hajo Seidel, Frankfurt/Main
In den Elaboraten Ihrer geschätzten 68er-Riege findet das Ende der Sowjetunion nicht statt, und der real nie so recht existierende Sozialismus des Arbeiter- und-Bauern-Staates wird als eher peinliche Reminiszenz nur höchst peripher gestreift. Und richtig: Fixiert auf Ho Chi Minh und Fidel Castro, gesteuert von Mao, mental befördert von Breschnew, hat die 68er-Show auf die wirklich beachtlichen globalen Strömungen überhaupt nicht einwirken können.
Wer von den Gewinnlern der 68er-Bewegung, heut in Amt und Würden, meist zum hedonistischen Bourgeois mutiert, wäre denn ehrlich genug einzugestehen, daß er die chinesische Kulturrevolution damals völlig falsch verstanden hat und die entsetzlichen Taten der irregeleiteten kommunistischen Jugend, der Roten Garden, einfach nicht zur Kenntnis genommen hat? Wer aus dem Kreis der marxistisch-leninistischen Theoretiker – sie sind ja hierzulande nicht ausgestorben – würde denn heute endlich einräumen, daß in der Sowjetunion der parteiideologisch begründete Mord von Staats wegen millionenfache Opfer gefordert hat, und daß nach Chrutschow eben auch nichts zum Bessern stand?
Ihr 68er-Omas und -Opas, die Welt in Euren Köpfen war klein, kraus, schmächtiger als 1848, und was Ihr heute an den Tag gebt, bestätigt leider viele Vorurteile, die man leicht für übertrieben hatte abtun wollen. Wisset – die Zeit hat Euch verworfen. (I Ging) Hans G. Leonhardt, Lübeck
Das kleinliche Gezänk der Ehemaligen, auf Seite 1 ausgetragen, zeigt deutlich , was viele dieser Berufsachtundsechziger vor allem waren und sind: ein Haufen humorloser Zwangsdogmatiker, die nach vielen Jahren nicht eingesehen haben, daß ihre Eitelkeiten und ihre ewige Rechthaberei nur noch lästig sind.
Die Botschaft dieser Trotzköpfe mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum lautet: Das Grundrecht auf miese Laune währt über 30 Jahre. Sebastian Hoeher
Als ich heute morgen am Frühstückstisch saß, sah es so aus, als ob es ein normaler Tag werden würde. Ich holte mir die taz aus dem Briefkasten und wollte das morgendliche „Tom-Ritual“ (taz aufschlagen, kurzer Blick auf die Schlagzeile, umdrehen und gieriges Lesen von touché) vollziehen. Doch der Blick irrte über die letzte Seite, die Handinnenflächen begannen feucht zu werden, und die Kaffeetasse fiel zu Boden. KEIN TOM!
Nachdem die WG am Frühstückstisch darüber diskutiert hat, blieb uns nur eine Erklärung, warum das Redaktions-Sonderkommando, das die Macht für diese Ausgabe übernommen hat, die Wahrheit nicht für wichtig hält: Tom war nicht beim SDS. [...] Robert Neumann, Freiburg
betr.: „Die lange Rache der Gewalt“
Während sich die 68er auf der ersten Seite selbst inszenieren, erweitert der Kommentar von Ekkehart Krippendorff zu den Ereignissen in Irland den der taz zugefügten Dachschaden um ein Zeugnis selbstgefälliger Dummheit. Richtig daran ist nur, daß sich viele Menschen in Irland Frieden wünschen und auch dafür eintreten. Der Begründungszusammenhang und die Ursachenbeschreibung: eine Katastrophe.
Nach Krippendorff reicht es, wenn man nur energisch die Gewalt verdammt, ohne dabei über die Ursachen zu reden und diese zu bekämpfen. Nach seiner Logik wäre der Kampf des ANC in Südafrika nutzlos gewesen, weil am Ende die Gerechtigkeit so oder so gesiegt hätte, und der weiße Kolonisator (in Form der Regierung) sähe sein frevelhaftes Tun ein und zahlte aus Friedenssehnsucht alles Morden und Stehlen wieder zurück. Bravo!
Quelle dieser Erkenntnis scheint der Kinofilm „The Boxer“ vom Jim Sheridan zu sein, der wohl deshalb von diesem gedreht wurde, weil er sich wieder die Anerkennung der loyalistischen Filmlobby erheischen wollte. Seine vorherigen Filme über die politische Situation in Irland waren differenzierter und wurden in England nicht gezeigt.
Als wissenschaftlich arbeitender Professor hätte Krippendorff dies wissen müssen. Er hätte sich bei den Menschen aus verschiedenen Lagern in Nordirland authentisch informieren können, anstatt als einzige Quelle seiner Informationen einen Hollywood-Film herzunehmen. [...] Renate Döhr,
Eberhard Mutscheller, Irland-
gruppe im Omega, Berlin
betr.: „Das Ende von Rot-Grün“
Lieber Udo Knapp, Mensch Udo, das gibt es doch gar nicht! Zuerst wollte ich es ja nicht glauben. Dieser total bescheuerte Kommentar in der 68er-Grufti-taz, ist das wirklich der Udo Knapp? Eine Recherche in der taz-Redaktion verschaffte dann schnell Klarheit. Du bist es! Der selbe Udo Knapp, der Anfang der 80er Jahre in unserem frisch gegründeten Ortsverband Station gemacht hat. Du Udo, erinnerst Du Dich noch an mich? Ich war der junge Wilde mit den zotteligen Haaren. Wir waren immer total fasziniert von Deiner politischen Erfahrung und der Weltläufigkeit, mit der Du uns von Deinem Zoff mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und anderen SPD-Granden erzähltest. Wir waren ja ganz frisch und Du so renitent damals; hatten die Dich nicht sogar aus der SPD geworfen? Wäre ja wirklich kein Wunder, bei Deiner Geschichte mit SDS-Vorsitz und all dem sagenumwobenen Kram, den wir Mittdreißiger heute nur vom Hörensagen kennen.
Jetzt bist Du also wieder bei der SPD. Wer kann da Deiner Erkenntnis „Geschichte ist unerbittlich“ widersprechen? Immerhin, „alles...muß reorganisiert, neu gegründet... und fortbewegt werden.“ Wer will schon außen vorbleiben, wenn Schröder den „Zug der Geschichte“ anheizt und „historische Entscheidungen“ durchsetzt? Da springt einen der historische Odem förmlich an, da haut's einem den Mantel der Geschichte um die Ohren. Gut gefallen hat mir auch die Stelle: „Jetzt zählt Regierungsfähigkeit und Führungskraft. Jetzt muß gehandelt werden. Jetzt braucht es starke Regierungen.“ Das hat so einen ehernen Dreiklang. Ich bin innerlich richtig erschaudert.
Nun ja, etwas betrübt bin ich schon darüber, daß Du uns Grünen die Regierungsfähigkeit absprichst und daß es, jetzt, wo die SPD sich unter Schröder so berappelt hat, das für uns schon gewesen sein soll. Bisher bin ich ja davon ausgegangen, daß die Entzauberung von Gerhard Schröder nur eine Frage der Zeit ist und daß unsere Ökosteuer-Vorschläge auf dem besten Weg zum Common sense der Gesellschaft sind. Andererseits, die Analyse eines Mannes mit Deiner politischen Erfahrung wiegt schwer...
Mensch Udo, das gibt es doch gar nicht! Total faszinierend Deine Geschichte; was ich Dich noch fragen wollte: Warst Du eigentlich nie in der FDP? Tarik Tell, Bündnis 90/
Die Grünen, OV Sankt Augustin
betr.: „Dreißig Jahre Trauer sind genug!“, Seite 3
[...] In der Überschrift großartig mit „Ein Manifest“ angekündigt, entpuppt sich der Artikel von Rainer Langhans und Konsorten als ein großes Bild mit sehr wenig Text, in dem so gut wie nichts steht. Abgesehen von diesen schrecklichen Kombinationen von kurzen Sätzen, die wohl eine Wirkung haben sollten, die mir absolut entgangen ist, und der mißlungenen Bildunterschrift (Sinn?) teilt sich der Text in zwei Teile: a) nichtssagende, allgemeine Phrasen, b) Zitate von Roman Herzogs Rede. Ist es nicht traurig, daß ein Drittel dieses Artikels aus Zitaten von Roman Herzog besteht? Doch, und zwar extrem traurig.
In diesem Artikel zeigt sich eine derartige Selbstzufriedenheit der 68er, die mich übelst aufgeregt hat. Der Gipfel aber ist, diesen frechen Text, der so in der Titanic hätte stehen können (oder ist das etwa Satire?), mit „Die Zuversichtlichen“ zu unterschreiben. Zusammen mit diesem unglaublich schwülstigen, seiernden, Hippie-getränkten vorletzten Absatz und dem Aufruf „Wir haben euch alle lieb!“ ist dieser textgewordene Verrat echt die Ober-Frechheit! Ihr habt damals eine der größten Chancen gehabt, in der BRD etwas wirklich Grundlegendes zu verändern. Ihr habt sie verpaßt, kläglich vergeben. Und Ihr seid zuversichtlich? Um mit eurer Überschrift zu sprechen: Ihr habt einen „Dachschaden“. [...] Henning Fischer, 17 Jahre,
Bargteheide
Die taz an Ostern – das war wie eine Fahrt in der Geisterbahn. Horror pur. Das Grauen ist nicht die Erinnerung an 1968, grauenvoll sind die, die heute immer noch als „Ex-68er“ durch die Medien geistern.
Wie kann man nur einen großen Teil der Seite 3 für diesen Dünnpfiff von Rainer „Sultan“ Langhans und seinen Haremsdamen verschwenden? Was für ein Einfaltspinsel Langhans ist, sollte sich doch inzwischen auch bis Berlin herumgesprochen haben. Wenn „die Zuversichtlichen“ aus dem Münchener Harem dann noch über viele Zeilen aus Reden von Roman „Onkel Ruck“ Herzog zitieren, dann wird doch um so deutlicher, daß sie zu eigenen Gedanken nicht fähig sind. Langhans und Herzog – kommt da zusammen, was schon immer zusammengehört hat? Hans Pfitzinger, München
betr.: Medienseite
[...] Zwischen großen Haufen konsumgieriger Osterfanatiker hindurch vor dem Zeitschriftenstand sich für die passende Zeitung zu entscheiden, die auch noch ein Fernsehprogramm bietet, ist eher anstrengend. Ich hatte die Wahl: Veronikas Titten oder den Dachschaden der taz. Ich entschied mich für den Dachschaden. Welch ein Fehler.
Durch den strömenden Regen habe ich sie getragen, mir's bequem gemacht zu Hause, und gemütlich wollte ich mal schaun, was so kommt. Was is'n nun los?! [...]
Ich find's ja klasse, daß Ihr meint, Programmkritik üben zu müssen. Sehr sprechend allerdings finde ich, daß ihr das mit einem Zensur-Balken tut. Au weia! Liebe Leute: Dachschaden flicken und demnächst erst das Hirn einschalten, bevor Ihr – bezugnehmend auf irgendwelche demoskopischen Mehrheiten, die angeblich Euer Fernsehprogramm eh nicht lesen – den wenigen, die sich dann doch für die taz entscheiden, so richtig die Laune verderbt. Ich geh' jetzt, noch mal Schuhe an, Regenjacke über, tropfnassen Schirm in die Hand, noch mal los und hol mir was mit Titten drauf. Da kann ich wenigstens sicher sein, daß auch ein Programm drin ist. Schade eigentlich, daß ich diese Faule-Ostereier-taz nicht umtauschen kann. War es das, was Ihr mit Eurer Kritik erreichen wolltet? Emil Sennewald, Hamburg
Man sollte es nicht glauben, aber es gibt tatsächlich Menschen, die nur die taz lesen und keine Fernsehzeitschrift abonnieren. Obwohl ich ebenfalls der Meinung bin, daß die Fernsehseite in der taz ein bißchen klein und unübersichtlich geraten ist, bin ich als sporadische Fernsehzuschauerin bis jetzt immer in der Lage gewesen, Eurer Fernsehseite die für mich wichtigen Informationen zu entnehmen. In Eurer aktuellen Ausgabe konnte ich dieses gerade zu Ostern leider nicht tun, da ich mich unfähig sah, zu erraten, was der schwarze Balken der interessierten Fernsehzuschauerin vorenthält. Der Gebrauchswert dieser Seite tendiert damit nicht mehr nur dorthin, wo Ihr ihn sowieso schon vermutet habt, sondern er sinkt noch darunter. [...] Ulrike Meyer, Bremen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen