: Mammuts auf den Klaviertasten
■ Michael Leslie spielt Bachs „Goldberg-“und Beethovens „Diabelli-Variationen“
Schon 1992 spielte der australische Pianist Michael Leslie ein Mammutprogramm in Bremen. Nun klinkt er sich erneut in die zum Teil aberwitzigen „Piano Adventures“von DACAPO ein: Am Sonntag interpretiert er im Übersee-Museum Johann Sebastian Bachs „Goldberg-Variationen“von 1742 und Ludwig van Beethovens „Diabelli-Variationen“von 1823. Beide Werke sind geistige und virtuose Gipfelwerke der Gattung und passen kaum in ein Programm. Leslie versucht es trotzdem
taz: Herr Leslie, fast unmenschlich ist das Unterfangen, beide Werke an einem Abend zu spielen. Warum machen Sie das?
Michael Leslie: Das Motiv ist eigentlich die riesige Herausforderung – für mich und die Hörer. Die Werke sind so groß, daß jedes eigentlich das andere nicht duldet.
Die Werke sind – trotz gleicher Gattung – ja grundverschieden.
Ja. Bei Beethoven merkt man diesen ungeheuren Kampf, der in der Musik steckt. Bach erfindet alles fast aus dem Nichts.
Anton Diabelli wollte 1819 ein Thema von 50 Komponisten vertonen und drucken lassen. Doch Beethoven hat es verachtet und als einen „Schusterfleck“bezeichnet. Warum hat er dann doch mit 33 Variationen ein derart riesiges Werk geschaffen?
Zunächst einmal wollte er wohl zeigen, daß er – Beethoven! – für eine solche Sammelarbeit nicht zu haben ist. Und er wollte allen zeigen, daß er der Größte ist.
Im Laufe der Variationen kommt es zu Stilkopien: Bach, Händel, Mozart, Haydn ... wie ist das zu verstehen?
Ich halte es für Huldigungen. Es gibt nichts Vergleichbares. Nach dem harmlosen Thema kommt es schon in der ersten Variation zu heroischer Gewalt. Beethovens Introvertiertheit treibt ihn in eine wirklich eisige Isolation, ich finde diese Musik sehr jenseitig, utopisch, meditativ. Im Gegensatz zu der Diesseitigkeit des Bach'schen Werkes: Der schöpft aus dem Vollen.
Das Werk ist ja für Cembalo geschrieben und entfaltet mit dessen verschiedenen Registern eine ganz andere Farbigkeit. Haben Sie sich mit aufführungspraktischen Farben beschäftigt?
Ja. Aber ich spiele nun mal eben Klavier. Ich muß aber zugeben, daß ich schon Cembaloerlebnisse hatte, nach denen ich dachte, mein Steinway sei eine Maschine. Man darf aber nicht versuchen, die Farbpalette des Cembalos zu übertragen, sondern muß mit dem umgehen, was das Instrument anbietet, das man spielt. Dann kommt ein ganz anderer Reichtum.
Sie unterrichten Klavier am Richard Strauß-Konservatorium in München. Was würden Sie als erstes in der Klavierausbildung ändern?
Die ausschließliche Beachtung des Manuellen: Die Jungen spielen immer schneller und wissen immer weniger, was sie eigentlich spielen. Ute Schalz-Laurenze
Morgen abend um 20 Uhr im Übersee-Museum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen