: Ein Trainer findet sein Traumland
Während sein alter Klub vor dem Abstieg steht, feiert der ehemalige Gladbacher Coach Bernd Krauss im Baskenland Triumphe und will mit San Sebastian in die Champions League ■ Von Joachim Quandt
Rund um den Trainingsplatz des spanischen Fußball-Erstligisten Real Sociedad San Sebastian tummeln sich die Frührentner. Von Konversion der Industrie und Sozialplänen auf die Straße geschickt, nehmen sie jede Abwechslung dankbar auf. Nach langen Jahren des Fußball-Mittelmaßes ist der Höhenflug, der den Klub bis in die Spitzengruppe der Liga führte, da besonders willkommen. Vier Spieltage vor Schluß stehen die Basken auf Rang 5 der Tabelle, zu Real Madrids zweitem Platz, der neben Meister FC Barcelona zum Start in der Champions League berechtigt, fehlen nur vier Punkte.
Am Spielfeldrand wird jede taktische Umstellung des Trainers kommentiert. Es herrscht eine Atmosphäre wie beim Sonntagsnachmittagsausflug einer südländischen Großfamilie. Spieler bleiben nach dem Training zum Plausch stehen. Kinder im Vorschulalter jagen in ihren zum Reinwachsen gekauften Trikots nach Autogrammen. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, beobachtet der deutsche Trainer Bernd Krauss, der von vielen als Vater der neuen Fußballbegeisterung angesehen wird, die Arbeit seiner Spieler. Das Prädikat „Trainer des Jahres“, das ihm von vielen angeheftet wird, sei ihm egal, kommentiert der 41jährige ehemalige Mönchengladbacher Spieler und Trainer mit einem Grinsen. Seine Zufriedenheit läßt sich nicht verbergen, und Krauss hat allen Grund, zufrieden zu sein: Zumindest ein Uefa-Cup-Platz ist vor der Partie am Sonntag gegen La Coruna greifbar nah, und letzte Woche wurde sein Vertrag bis zum Jahr 2001 verlängert.
„Fuera, Fuera“, ruft er spärliche Anweisungen über den Trainingsplatz. Auf spanisch, eine wahre Rarität. Wenn Krauss den Mund aufmacht, tut er das auf deutsch, ob das bei der Pressekonferenz oder beim Anschiß in der Kabine ist. Sein Dolmetscher begleitet ihn auf Schritt und Tritt, was er keineswegs als fehlende Integrationsbereitschaft verstanden wissen will. „Bevor ich mir da einen abwürge und der Spieler hinterher überhaupt nicht mehr weiß, was los ist, ist es so noch besser.“ Er blättert in dem Fußballsprachführer, in dem seine Frau von „Angriffsfußball“ bis „Viererkette“ alle wichtigen Vokabeln auf spanisch und baskisch zusammengestellt hat, und bittet um Zeit. „Solange ich das nicht perfekt beherrsche, mache ich auch keine Pressekonferenzen und haspel' mir da einen ab. Das ist aus meiner Sicht grausam.“
Lange Reden sind von ihm ohnehin nicht zu erwarten: „Ich habe mal in Mönchengladbach gesagt, ich bin kein Trainer für die Tribüne, ich bin Trainer und kein Entertainer. Ich muß auch meinen Kopf hinterher nicht in der Presse oder im Fernsehen sehen.“ Arbeit heißt sein Zauberwort, und damit kommt er den Erwartungen nach, die einem deutschen Trainer im Ausland entgegengebracht werden. Und kontinuierlich soll die Arbeit sein. „Ich muß ja die Mannschaft erst kennenlernen und die Mannschaft mich. Ich lasse mich nirgendwo reinholen als Nothelfer. Das muß man sich nicht antun.“
Über die Arbeitsmoral seiner Kicker kann Krauss sich nicht beklagen. „Hier wird nicht viel erzählt. Hier wird gearbeitet und gemacht, Ende.“ Nicht so das spanische „mañana, mañana“. Im Gegenteil. „Die Basken sind gewohnt, hart zu arbeiten, und das kommt eigentlich unserer Mentalität unheimlich gleich. Das ist schon ein gutes Arbeiten hier.“
Dabei stehen nicht nur Basken auf dem Platz. Im Mittelfeld von Real Sociedad zieht der Österreicher Kühbauer die Fäden, der auch in Berlin und Stuttgart im Gespräch war, den Krauss aber durch persönliche Kontakte nach San Sebastian geholt hat. Der Nigerianer Adepoju ist dabei, und in der nächsten Saison steht auch der Portugiese Sa Pinto zur Verfügung. „Ein Riesenspieler“, der nur leider den Nationaltrainer niedergeschlagen hat und dafür ein Jahr gesperrt wurde. Die alteingesessenen Fans auf der Tribüne sind von Krauss' Einkaufspolitik weniger begeistert. Viele von ihnen würden gerne sehen, daß in der Mannschaft nur Spieler aus dem eigenen Nachwuchs spielen. Wie in den Achtzigern, als der Klub zweimal Meister wurde.
Bis heute erhitzt die Diskussion, ob in San Sebastian Ausländer spielen sollen oder nicht, die Gemüter der Basken. „Die Leute müssen sich im klaren sein, was sie eigentlich wollen. Wenn wir nur einheimische Spieler spielen lassen, dann spielen wir um Platz dreizehn oder vierzehn“, und deshalb ist Krauss nicht hergekommen. Tatsächlich registrieren auch die Fans genüßlich die Ausrutscher der Konkurrenten um die Uefa-Pokal- Plätze, und der Trainer kann sich mit der Tradition des Vereins durchaus identifizieren. „Ich hatte gegen Bilbao sieben Mann auf dem Platz, die hier im Nachwuchs gespielt haben, in der Stammelf. Da sagt mir mal einen Verein in Spanien, bei dem das so ist.“
Die Ursache für diese Politik liegt in den begrenzten ökonomischen Möglichkeiten, unter denen er schon in Gladbacher Zeiten arbeiten mußte. Von den Argumenten der baskischen Nationalisten möchte er nichts wissen. „Ich bin nicht hier, um Politik zu machen, sondern um Erfolge zu holen.“ Krauss hat – so scheint es – im Süden das Traumland deutscher Tugendhaftigkeit gefunden. Er wird nicht müde, die Seriosität seines Arbeitgebers zu betonen. Schließlich genießt er in diesem Klub, der die Verträge seiner Trainer stets erfüllt hat, eine Arbeitsplatzsicherheit, die in seinem Beruf selten ist.
Wenn er von seiner Arbeit erzählt, hat es den Anschein, als habe er hier im Dschungel des Medienspektakels Fußball seine kleine heile Fußballwelt gefunden, in der Fußball noch gearbeitet wird. Sogar das ruhige Bier mit seinem Co- Trainer in der Stadionkneipe ist hier möglich. „Wenn du in Deutschland nach einer Niederlage da reingehst, dann machen die dich fertig, verbal, meine ich jetzt. Die Basken sind da viel reservierter. Das ist ein ganz toller Menschenschlag, der mir sehr liegt.“
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