: Wahlerfolg für Rechtsextreme in Toulon
Bei Parlamentsnachwahlen in der südfranzösischen Stadt liegt die Kandidatin der Front National in Führung. Sie erhielt fast 40 Prozent der Stimmen, obwohl ihre Partei keine Erfolge vorweisen kann ■ Aus Paris Dorothea Hahn
In der südfranzösischen Stadt Toulon hat die Front National am Sonntag einen neuerlichen Urnensieg errungen. Im ersten Durchgang der Parlamentsnachwahlen bekam sie fast 40 Prozent der Stimmen. Ihre Kandidatin Cendrine Le Chevallier geht damit am kommenden Wochenende bestplaziert in die Stichwahl gegen die Sozialistin Odette Casanova (31 Prozent). Der gemeinsame Kandidat der Konservativen, Daniel Colin, erlitt mit 22 Prozent eine neuerliche schwere Schlappe.
Die Rechtsextremen sind damit in Frankreichs größter Militärhafenstadt stärker als je zuvor – zwei Jahre nach ihrer Wahl ins Rathaus und ein Jahr nach ihrer Wahl in die Nationalversammlung. Dabei ist die Abgeordnetenkandidatin Le Chevallier, die am Sonntag 39,55 Prozent der Stimmen bekam, nicht einmal eine Spitzenkraft der Front National – auch wenn sie seit ihrer Jugend zum harten rechtsextremen Kern gehört und je einen Posten im Touloner Rathaus und im Regionalrat hat. Sie ist vor allem eine Strohfrau, die eingesprungen ist, weil ihr Gatte Jean- Marie gerichtlich wegen Überschreitung seines Wahlkampfetats für unwählbar erklärt worden war. Der französische Verfassungsrat hatte die Wahl von Jean-Marie Le Chevallier, der im vergangenen Jahr in die Nationalversammlung eingezogen war, wegen der Unregelmäßigkeit für ungültig erklärt und damit die Neuwahlen ausgelöst.
In der Nationalversammlung ist Monsieur Le Chevallier, der einzige Abgeordnete der Front National, mit keinerlei Initiativen in Erscheinung getreten. Auch in Toulon, wo Le Chevallier 1995 zum ersten rechtsextremen Bürgermeister einer französischen Großstadt gewählt wurde, hat er nicht die von ihm angekündigte Trendwende auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Kriminalitätsbekämpfung ausgelöst. Statt dessen kündigte er die Verträge eines international renommierten Touloner Theaters und konzentrierte sich auf Volkskunst und die Erinnerung an örtliche Kollaborateure. Er führte einen täglichen Kleinkrieg gegen gewerkschaftlich organisierte MitarbeiterInnen sowie solche, die aus Immigrantenfamilien stammen. Und er privatisierte die Stadtreinigung, was im Januar zu einer massiven Lohnreduzierung und einem dreiwöchigen Streik des Personals führte, der letztlich erfolgreich war.
Offenbar hat die Bilanz der konkreten Front-National-Politik wenig Einfluß auf deren Wahlergebnisse. Zumindest in Toulon. Allerdings bequemen sich dort immer weniger WählerInnen überhaupt an die Urnen. Am Sonntag waren es nicht 45 Prozent. Besorgte ToulonerInnen erklären diese zunehmende Depolitisierung als ein Resultat der rechtsextremen Politik.
In Toulon hat sich die politische Situation auf die Konfrontation zwischen der gesammelten Linken – von ÖkopolitikerInnen über KommunistInnen bis hin zur PS – und den Rechtsextremen zugespitzt. Die traditionellen Rechten, die durch Vetternwirtschaft in der Region diskreditiert sind, spielen nur noch die Rolle einer Splitterpartei und die einer Kaderschmiede für Knackis: Gestern wanderte mit dem wegen Korruption verurteilten UDF-Politiker Maurice Arreckx wieder einer der ihren zur Abbüßung einer mehrjährigen Haftstrafe in den Bau.
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