piwik no script img

Schiedsrichter bestochen?

■ Nach dem 1:0-Sieg von Juventus will der Inter-Eigner den Klub aus Protest verkaufen

Rom (taz) – Das hat es selbst im italienischen Fußball noch nie gegeben: Die Regierung mußte sich im Parlament erregten Fragen zum Verhalten der Unparteiischen auf Italiens Fußballfeldern aussetzen. Anlaß war eine von vielen offensichtlichen Fehlentscheidungen von Schiedsrichter Piero Ceccarini bei der Spitzenpartie Juventus Turin gegen Inter Mailand am Sonntag. In der 70. Minute wurde Inter- Star Ronaldo im Strafraum unzweideutig zu Boden gestoßen – doch der Elfmeterpfiff blieb aus. Inter-Trainer Luigi Simoni, der erregt auf den Platz lief, wurde des Feldes verwiesen. Die Partie endete 1:0 für Juventus, das nun kaum mehr einholbar ist.

Noch am Dienstag schlug die Affäre hohe Wellen. Der kommunistische Abgeordnete Ramon Mantovani hatte eine offizielle Anfrage an die Regierung gestellt, ob die Schiedsrichter absichtlich für Juventus pfeifen und „die Fußballregeln von der Familie Agnelli neu geschrieben werden“. Die Fiat-Mehrheitseigner Agnelli sind Besitzer von Juve.

Ebenfalls gestern erklärte der Präsident von Inter Mailand, Massimo Moratti, er werde die für den Sieg ausgesetzte Prämie trotzdem an seine Spieler zahlen. Dann kündigte der Industrielle seinen Rückzug aus dem Fußballgeschäft an. Er werde Inter wohl verkaufen, denn „bei diesen Betrügereien und Gemeinheiten kann man in diesem Sektor nicht mehr weitermachen“.

Tatsächlich drängt sich in dieser Saison ein „Juve-Effekt“ auf. Als Oliver Bierhoff von Udinese am 1. November einschoß und der Juve- Torhüter den Ball eindeutig hinter der Linie herausfingerte, gab der Schiedsrichter das Tor nicht; am 6. Dezember gewann Juve durch einen Elfmeter, der keiner war; am 8. Februar sichelte Juve-Verteidiger Deschamps dem Lazio-Stürmer Gautieri direkt vor dem Tor die Beine weg – kein Strafstoß, Juve gewann 2:1; am 5. April holte Juve- Abwehrspieler Iuliano im Strafraum den Ball mit der Hand aus der Luft – wieder kein Elfmeter.

Moratti vermutet nicht, daß die Schiedsrichter bestochen sind, aber „die haben einen Riesenrespekt vor Juventus, da geht denen die Pfeife automatisch los, wenn sie denen zu Hilfe kommen können“. Juve-Coach Marcello Lippi hebt angesichts der Anwürfe nur die Schultern: „Es ist nicht Stil von Juventus, Schiedsrichterentscheidungen anzugreifen.“ „Kunststück“, giftet Inter-Trainer Simoni zurück, „er muß sich ja nicht über Entscheidungen zu seinen Ungunsten ärgern.“

Vizeregierungschef Walter Veltroni, der die parlamentarischen Anfragen zu beantworten hatte, kann freilich auch nur die Schultern heben: „Die Regierung hat keine Kompetenz, in die internen Angelegenheiten des Fußballverbandes einzugreifen“, sagte er, „wenngleich es sich mittlerweile beim Fußball nicht mehr nur um Sport und um athletischen Wettkampf handelt, sondern auch um ansehnliche Wirtschaftsinteressen, die von Fehlentscheidungen berührt werden können.“ Vorstellen, so Veltroni, könne er sich immerhin, daß man mit Fernsehkameras einige Entscheidungen sofort überprüfen könne. Das aber müßten am Ende „doch die Fußballverbände einvernehmlich miteinander regeln“. Werner Raith

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen