: Bauernaufstand in Westbengalen
■ Diesen Monat reisen mit Anokha, Fundamental und der Asian Dub Foundation drei durchaus unterschiedliche Spielarten des vielbeachteten Asian Dance aus dem Londoner Eastend an
„Welcome to flight IC 408 to London“heißt es in einem Stück von State Of Bengal. Mit unüberhörbar indischem Akzent werden die Passagiere in, sagen wir einmal, Bombay im Flugzeug begrüßt. Und genau auf diese Reise zwischen dem indischen Subkontinent, und der britischen Metropole nimmt einen Anokha – Soundz Of The Asian Underground, ein Sampler auf dem auch State Of Bengal vertreten ist, mit. „Anokha“heißt in der pakistanischen Landessprache Urdu soviel wie „ungewöhnlich“. Und für unvorbereitete Ohren klingt es wirklich ungewöhnlich, was die DJs aus dem gleichnamigen Londoner Club so zusammenfügen.
Indische Tablas kreuzen Drum'n'Bass-Partien während eine pakistanische Sängerin Dope Beats strukturiert. Aber dieser Soundz Of Asian Underground geht weit darüber hinaus, das inzwischen angewachsene Klientel indischer Pistengänger der zweiten Generation mit ein paar hübschen Versatzstücken zu füttern. Ganze Passagen aus indischen Filmen werden eingestreut und zeugen beredt vom Selbstbewußtsein und vom Mitteilungsdrang dieser zweiten Generation. Björk, die ja stets weiß, wo die Musik spielt, ist jedenfalls der Szene und ihrer Schlüsselfigur Talvin Singh verfallen.
Doch Talvin Singh ist nicht unumstritten. Nachdem das Feld 1993 mit Apache Indians Banghramuffin für eine breitere Öffentlichkeit erschlossen wurde, wird nun mit Dreck geworfen. Wo immer er kann, lästert etwa Cornershops Tjinder Singh über die „Asian Crew“, die er schlicht für einen Fake hält. Umd umgekehrt. Es geht – das merkt man schnell – um Repräsentation in einem kulturellen Feld, das seit Cornershops Erfolg finanzielle Gewinne verspricht.
Solchen Vereinnahmungen versuchen sich zwei andere Bands aus dem gleichen Umfeld, nämlich dem Londoner Eastend, durch Politizität zu entziehen. Fundamental fühlen sich eher Public Enemy verbunden als den asiatischen Tänzern. Mit einer Überdosis an Information quatschen Fundamental auf Erotic Terrorism jeden um Kopf und Kragen.
An diesem alten Problem von „music and politics“arbeitet sich auch die Asian Dub Foundation ab. Obwohl ihr Rapper Master D. mit den Anokha-Leuten verbändelt war, hat er sich doch zusehends radikalisiert und thematisiert sogar in ihrem Hit „Naxalite“einen Bauernaufstand in Westbengalen. „Fasten your seat belts.“
Volker Marquardt Anokha: 30. April , 22 Uhr, Mojo
Fundamental: Mo, 11. Mai , 20 Uhr, Docks
Asian Dub Foundation: Di, 12. Mai, 21 Uhr, Schlachthof
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