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Ohne Sprit in den Mai-Ausflug

Dänemarks Arbeitgeber und Gewerkschaften haben wieder Gespräche aufgenommen. Der Druck auf die Tarifparteien wächst, eine Lösung zu finden. Regierung steckt im Dilemma  ■ Von Reinhard Wolff

Stockholm (taz) – „Slutsålt“, „Ausverkauft“, stand gestern an fast jeder dritten Tankstelle Kopenhagens. Außerhalb der Hauptstadt war es nahezu hoffnungslos, noch an Sprit heranzukommen. Der traditionelle Mai-Ausflug mit dem Auto könnte für diejenigen ausfallen, die nicht zu den Hamsterern der ersten Streiktage gehörten. Einige haben entgegen allen Brandschutzgesetzen ihre Garagen zum Tanklager gemacht und Benzin in Fässer und Einmachgläser abgefüllt. Frisches Brot ist ebenso selten aufzutreiben wie die Hefe zum Selberbacken. In Erwartung einer dänischen KäuferInneninvasion über die weithin noch funktionierenden Fähren haben sich viele Geschäftsleute auf der schwedischen Seite des Öresunds entschlossen, auch am 1. Mai zu öffnen.

Daß den Haftanstalten des Landes mangels Vorsorge das Benzin ausgegangen ist und man inzwischen alle Gefangenentransporte eingestellt hat, gehört eher zu den Kuriositäten dieses Streiks. Weil sich aber liegengebliebener Abfall mancherorts zum Hygieneproblem türmt, wurden vorsorglich schon einige Abteilungen von Krankenhäusern geschlossen. Auch viele Kindergärten machten dicht. So werden nach und nach die unvorhergesehenen Folgen des Arbeitskampfes deutlich. „Wir wollen keinen Streik zu Lasten der Bürger“, erklärte der Parlamentsabgeordnete und Ex-Gewerkschaftsboß Hardy Hansen auf einer Kundgebung vor mehreren tausend Menschen in Kopenhagen. Es besteht aber kein Zweifel, daß genau dies in nur wenigen Tagen das Resultat des Arbeitskampfes sein wird. Vorausschauend hat der Gewerkschaftsverband LO zwischenzeitlich Ausnahmegenehmigungen für die Versorgung von Apotheken und Krankenhäusern erteilt.

Trotz der Unannehmlichkeiten ist eine Mehrheit der DänInnen für den Streik. „Die Arbeitgeber schwimmen im Geld. Sie können die Arbeiter bequem daran teilhaben lassen“, bringt Hardy Hansen die herrschende Meinung auf den Punkt. Eine Stimmung, die scheinbar auch den Arbeitgeberverband nicht unbeeindruckt läßt. Auf seine Initiative hin setzten sich die Tarifparteien gestern wieder zusammen, um nach einer Lösung zu suchen.

Die Arbeitgeberseite steht vor allem angesichts der bevorstehenden EU-Volksabstimmung unter Druck. Jede unpopuläre Entwicklung des Arbeitskampfes – was sowohl ein langer Streik als auch ein Eingreifen der Regierung mit einem Tarifgesetz wäre – könnte den Ausgang dieser Volksabstimmung negativ beeinflussen. Die Regierung tut derweil alles, die Gewerkschaften und Arbeitgeber im unklaren darüber zu lassen, ob man tatsächlich an ein gesetzliches Eingreifen denkt. Zugleich spekuliert der Arbeitsmarktminister Jörgen Stern Möller über die diversen Möglichkeiten: „Wenn wir nicht eingreifen, kann das der EU-Abstimmung schaden. Wenn wir aber gar nichts tun, kann das auch den Ausgang beeinflussen.“

Mangelnde Finanzen werden einen langen Ausstand jedenfalls nicht verhindern: Die Konfliktkasse der Gewerkschaften ist nach 13jähriger, fast vollständiger Streikabstinenz so prall gefüllt, daß man problemlos ein paar Wochen über die Runden kommt.

Zu den unmittelbaren Gewinnern des Streiks gehören nicht nur die deutschen und schwedischen Händler jenseits der Grenzen, die ihr Lager an Frischwaren aufgestockt haben dürften. Auch die dänischen Fahrradläden melden Hochkonjunktur über das stets gute Frühjahrsgeschäft hinaus. Fahrradmechaniker Ib Jensen von „Noel Cykler“ in Kopenhagen verweist auf einen Hof voll mit Fahrradveteranen, von denen viele seit der Ölkrise in den siebziger Jahren nicht mehr das Tageslicht erblickt haben dürften: „Wir kommen mit der Reparatur nicht nach, auch wenn wir schon dreimal soviel reparieren wie gewöhnlich.“ Einen Aufschwung erleben auch die vielen kleinen Einwandererläden und -kioske wegen ihrer besonderen Kanäle für frische Lebensmittel, die es in den großen Supermärkten schon seit Tagen nicht mehr gibt. Der Libanese Nasel Karrum schafft wie viele seiner Kollegen Obst und Gemüse direkt vom Großmarkt aus Hamburg heran: „Das haben wir schon immer gemacht, unabhängig vom Streik.“ In den letzten Tagen hat sich sein Umsatz mehr als vervierfacht.

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