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Die Säure tötet jedes Leben

Der Dammbruch eines Abwassersees in Andalusien zerstört die Lebensgrundlage von mehr als 2.000 Familien  ■ Von Reiner Wandler

Madrid (taz) – Die Szene wirkt gespenstisch. Mitarbeiter der andalusischen Umweltbehörde sammeln von Säure zerfressene Fische ein. Mit Gummikleidung und Gasmasken schützen sie sich vor dem schwarzen, klebrigen Schlamm, der auf 20 Kilometern auf beiden Flußseiten 200 Meter ins Land hineinreicht. Seit letzten Samstag der Damm eines Abwassersees in den Schwefelminen von Aznalcollar gebrochen ist, bringt das Wasser den Tod in Form von Säure und Schwermetallen. Fünf Millionen Kubikmeter stinkende Brühe fließen seither in Richtung des 70 Kilometer entfernten Atlantiks. Auf Reis- und Obstplantagen verbrannte das säurehaltige Wasser alles Leben. Angespülte tote Krebse, Fische und Wasservögel zeugen davon.

2.000 Landarbeiter- und Fischerfamilien hat die Katastrophe bisher um ihre Einnahmequelle gebracht. Wie so oft bei Katastrophen traf es auch am Ufer des Guadiamir mehr Arme als Reiche. Denn die meisten Besitzer großer Fincas schützen ihr Land bereits seit Jahren durch hohe Mauern gegen das Frühjahrshochwasser – eine Maßnahme, die jetzt die Giftflut abhielt. Doch auch für sie tickt die Zeitbombe. Der Fluß verseucht das Grundwasser und somit die Brunnen. Viele Bewässerungskanäle werden aus den betroffenen Flüssen gespeist.

Selbst der Nationalpark Donana, ein 50.000 Hektar großes Vogelschutzgebiet, das sich vom Guadiamir bis hin zum Unterlauf des Guadalquivir erstreckt, ist nicht außer Gefahr. Zwar gab Umweltministerin Isabel Tocino Anfang der Woche Entwarnung, nachdem es in der Unglücksnacht gelungen war, die Fluten umzuleiten.

Doch die Verantwortlichen des Naturparks berichten dennoch Besorgniserregendes. So steht mittlerweile fest, daß zumindest eine der Grundwasserschichten, aus dem sich das Feuchtgebiet speist, verseucht ist. „Die hochgiftigen Schwermetalle aus den Schlämmen werden sich somit langsam in Richtung Park ausbreiten“, sagt Miguel Ferrer. Der Direktor der biologischen Forschungsstation in Donana veranschlagt Jahrzehnte für die unaufhaltsame Verseuchung des Naturschutzgebietes, das 1994 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

Vor den kurzfristigen Gefahren sollen Schreckschußpistolen schützen. Mit ihnen versuchen die Parkwächter die Wasservögel von den vergifteten Reisfeldern gleich neben dem Park abzuhalten, wo sie bisher ihre Nahrung in Form von Fischen und Flußkrebsen fanden.

„Die 20 Zentimeter dicke Schlammschicht ist nicht, wie zuerst angenommen, zum Stillstand gekommen“, berichtet Greenpeace-Mitglied Juan Lopez, der vor drei Tagen an Bord der MV Greenpeace vor Ort eintraf. „Wir finden immer weiter unten im Guadiamir tote Fische.“ Gelbe Flecken, von denen keiner genau weiß, woraus sie bestehen, treiben auf dem Wasser und zeugen davon, daß die Schlammzunge am Grunde des Flusses nur noch wenig mehr als einen Kilometer vom Hauptfluß Guadalquivir entfernt ist. Dessen breiter Unterlauf hebt und senkt sich mit den Gezeiten des Atlantiks, in den er nur acht Kilometer weiter mündet. „Gelangt der Giftschlamm erst einmal in den Guadalquivir, wird er somit hin und her gespült“, warnt Lopez. Das wäre dann auch das Aus für den Donana-Park, den gezeitenabhängige Kanäle durchziehen.

Unten an der Küste in Sanlúcar de Barrameda, wo der Guadalquivir ins Meer mündet, haben die bangen Stunden und Tage des Wartens begonnen. 600 Familien leben hier vom Fang der Langostinos. Die schmackhaften Langschwanzkrebse, deren außerordentliche Qualität das 60.000-Einwohner-Dorf über Spanien hinaus bekanntgemacht hat, könnten schon bald Opfer der Umweltkatastrophe werden. Dann bleiben sicher auch die Touristen aus, die im Sommer die Fischrestaurants bevölkern. Bei der Gemeindeverwaltung hätten bereits erste Reiseveranstalter aus Deutschland angerufen, erzählen sich die Menschen in Sanlúcar besorgt.

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