Press-Schlag: Was erlauben Bayern?
■ Von gelangweilten Kickeronarios, die dann lieber doch nicht Meister werden wollen
Richtig schade war, dachte man anfangs, daß die Schummelvariante nicht mehr greifen konnte. Wäre so schön gewesen: Der MSV muß die Bayern gewinnen lassen, damit diese zu den Europachampions aufsteigen und man selbst verlierensautomatisch durch Teilnahme am Pokalfinale am 16. Mai in den Eurocup II aufsteigt. Aber das war ja vorher schon erledigt, weil auch Nichtmeister im Meistercup mitspielen können.
Blieb aber diese Frage nach der Meisterschaft. Und die interessierte die Bayern gar nicht. So jedenfalls spielten sie – mit Ausnahme von Kahn und Jancker: ohne Power, ohne Engagement, mummfrei, frühjahrsmüde. Glück hatten sie ohne Ende, daß die Duisburger so ungeschickt waren bei der Verwertung ihrer leidenschaftlich herausgespielten Chancen. Allein Bachirou Salou, der wendigste Kleiderschrank auf dem Mittelstürmerposten seit Erfindung des Balles, kam auf neun krachende Torschüsse. Zweimal half der Pfosten. Je mehr Treffer vom Betzenberg gemeldet wurden, desto dilettantöser kickten die Bayern. Ein eingewechselter Strunz, und alle anderen spielten nichts als Strunz.
Alles sehr seltsam, unverständlich? Nein: Man muß die Bayern-Spieler verstehen. Was hätten sie von einem Sieg gehabt? Nichts als Streß: eine Woche mehr Anspannung, ein aufreibendes Spiel mehr, Diskussionen, womöglich Verletzungsgefahr. Und überhaupt Meister? Waren doch fast alle im Kader schon. Wichtigeres steht doch bevor: Die Weltmuskelmesse in Frankreich – dort ist Bühne, dort sieht die Welt hin, dort ist Ruhm zu erwarten, nicht im Provinztheater Bundesliga.
Und wenn sie tatsächlich Meister geworden wären? Nichts als Ungemach hätte gedroht: ein Buchungsposten mehr auf den Gehaltskonto. Meisterfeiern. Noch mehr Fremde, die an einem herumgrapschen. Dieses Theater auf dem Marienplatz. Dieses Fangegröle. Wieder die Seppelhosen anziehen für Foto und PR. Herumgereicht werden ohne Ende. Empfänge bei dem komischen OB, Talkshows, Sportstudio – all der Quatsch. Dafür rennen? Ja mei.
Duisburg ist eh kein schöner Ort für bajuwarische Meisterambitionen. Hier eigentorte schon der Franz. Und 1971 kamen sie schon mal zum Showdown vorbei. 0:2 wurden sie abgewatscht, und die Wedau jucheiste. Gladbach triumphierte 4:1 in Frankfurt und wurde dadurch Meister. Heute braucht man diesen schlappen FC Gernegroß gar nicht mehr zu schlagen, um ihn vorzuführen.
Uli Hoeneß, der die Geschäfte mit den desinteressierten Angestellten lenkt, hatte „90 Minuten Zeit gehabt nachzudenken“. Und kam, erstaunlich beherrscht, zum Ergebnis, er werde im nächsten Jahr „den Druck erhöhen“. Wie? „Da werden so viele Spieler im Kader sein, daß sich jeder im Herbst schon überlegen kann, wo er bleibt.“ Leistungshoffnung also durch eine Mischung von Darwin und Quantität. Ob er dafür 50 Spieler braucht? Reichen vielleicht schon 40? Armer Hoeneß. Mehr Spieler heißt doch auch: Mehr Spieler zum Drüberärgern.
Folgt noch in zwei Wochen in Berlin das Pokalfinale zwischen den gleichen Kontrahenten – warum sollten die Bayern da gewinnen wollen, sich anstrengen? Bringt nichts. Verzögert nur den Urlaub. Unbezahlte Ehrenrunden mit nervigem Pokalstemmen, Politikerbesuche, Interviewkaskaden, Jubelinszenierungen. Der ganze scheußliche Quatsch. Nur Mr. Giovanni Trapattoni („Müssen gratulieren diese Kaiser Lautern“), der Gescheiterte, meinte eruptionsfrei: „Spiel war heute Lektione für in 14 Tage.“ Bis Berlin will er „fragen Mannschaft, warum ist Leistung gewesen so“. Sehr lustig! Wird er kriegen kaum ehrliche Antwort.
Auch Trapattoni, creatore des Strunzismus, ist selbst längst Strunz. Und muß froh sein, daß er gesund und erhobenen Hauptes aus diesem Kasperletheater entkommt. Einer sagte: „Der arme Hitzfeld.“ Ja, schon im Paradies Dortmund sah der Nachfolger doch als Trainer immer so krank aus. Kann man Spieler eigentlich wegen fahrlässiger Körperverletzung ihrer Coaches belangen? Hoeneß sollte das vorab klären. Besser 50 Ärzte als 50 Kicker. Bernd Müllender, Duisburg
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