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Die sauberen Abgeordneten der DVU

Eine wilde Truppe im Landtag: Ein mutmaßlicher Stasi-Spitzel, ein schlagender Ehemann und ein Tierquäler. Die Kameraden stehen zu ihnen. Und Franz Schönhuber will für die Partei ins Europaparlament  ■ Von Annette Rogalla

Berlin (taz) – Eigentlich hatte sich Franz Schönhuber bereits auf das Altenteil zurückgezogen. Doch nun will der 75jährige ehemalige Chef der rechtsextremen „Republikaner“ es noch einmal wissen. Zur Europa-Wahl im nächsten Jahr will er für die DVU kandidieren, mit deren Chef Gerhard Frey er einst innig verfeindet war. Dazu habe er sich am Wochenende entschlossen, meldet Focus. Schönhuber fühle sich als „Integrator“ dazu berufen, „die mörderischen Bruderkämpfe zwischen den deutschen Rechtsparteien zu beenden“. Ob er sich schon zur Bundestagswahl als DVU-Kandidat präsentieren soll, überlege er noch.

Bei den in den Landtag Sachsen-Anhalts gewählten DVU- Kandidaten gibt es inzwischen Probleme. Keine rechnerischen. Zwar stieg am Wochenende der 42jährige Eberhard Lehnert aus, die 16 Plätze für den Landtag in Sachsen-Anhalt wird die Partei trotzdem besetzen. Einen weiteren Ersatzkandidaten hat sie noch. Lehnert will erst aus der Zeitung erfahren haben, mit welchen Parteikameraden er im Landtag zusammensitzen sollte.

Tatsächlich: Merkwürdige Menschen schickt die DVU ins Landesparlament. Fünf der rechten Neulinge haben bereits mit Polizei oder Gerichten Kontakt gehabt. Mirko Mokry, mit 19 Jahren der jüngste Abgeordnete, beschmierte vor anderthalb Jahren ein Denkmal mit rassistischen Parolen und Hakenkreuzen. Das Verfahren der Staatsanwaltschaft wurde eingestellt. Horst Montag (Listenplatz 13) kassierte als Fahrlehrer mehrere Anzeigen wegen Betrugs. Jörg Büchner (Platz 6) soll für die Stasi gearbeitet haben, berichtet der Spiegel. Von 1966 bis 1980 soll der ehemalige „Mitropa“-Kellner gespitzelt haben. Torsten Miksch, Listenplatz 17, der nun ins Parlament nachrücken darf, quält gerne Tiere, berichtet Bild am Sonntag. Der Zimmermann soll seinen Terrier „George“ in einen Brunnen geworfen haben.

Der Mann mit der dunkelsten Vergangenheit aber ist Helmut Wolf. Die Ex-Ehefrau des Spitzenkandidat der DVU packte am Samstag gegenüber der Bild-Zeitung aus. Wolf habe sie „mit der Pistole bedroht“. Er soll gesagt haben, „daß er mich und die Kinder lieber erschießen werde“, als für deren Unterhalt aufzukommen. Wegen dieser Aktion erließ das Amtsgericht Bitterfeld (Az.: 5Cs93/95) einen Strafbefehl über 1.500 Mark. Die Waffe, eine Gaspistole, wurde eingezogen. Während ihrer zweiten Schwangerschaft soll Wolf seine damalige Frau mehrfach in den Bauch getreten haben. Die Frau schildert ihn als Alkoholiker.

Mit solchen Parteifreunden können die anderen DVU-Parlamentarier prima leben. Eisern halten die Saubermänner zusammen. „Das sind Privatangelegenheiten“, sagte Dieter Kannegießer (Listenplatz 3) gestern zur taz. Und auch die künftige Leiterin des „Arbeitskreises für Soziales und Arbeit“, Claudia Wiechmann (Platz 2), hat es nicht schwer, die Kollegen ins rechte Licht zu rücken. „Der Herr Wolf steht über den Dingen.“ Sämtliche Vorwürfe gegen die DVUler seien „dämlich“, Fernsehen und Zeitungen kippten nun „Dreck und Schmutz“ über die mißliebigen Rechten aus.

Am Samstag, die Vorwürfe gegen Wolf waren gerade gedruckt, trafen sich die künftigen Abgeordneten an einem geheimgehaltenen Ort und bildeten ihre Fraktion. Über die Anwürfe sei auf dieser Sitzung bewußt nicht geredet worden, sagte Kannegiesser. Helmut Wolf wurde zum Fraktionsvorsitzenden gewählt, Dieter Kannegiesser zu seinem Stellvertreter.

Welche politischen Forderungen oder Anregungen im Parlament von ihnen zu erwarten sind, behalten die DVUler lieber noch ein Weilchen für sich. „Zunächst haben wir uns als Fraktion gewählt, und dann geht's weiter“, sagte Dieter Kannegiesser. In den kommenden Tagen soll eine Presseerklärung die politische Zielsetzung der neuen Landtagsfraktion erläutern. Dieses Papier, so verspricht Kannegiesser, komme direkt aus Magdeburg und werde nicht in München vom DVU-Vater Gerhard Frey formuliert.

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