■ Die Anderen
: "Liberation" kommentiert den Streit um den Präsidenten der Europäischen Zentralbank / Der "Standard" über das Scheitern der Bemühungen um eine Lösung des Zypern-Konflikts / "Maariv" meint zu den Nahpostgesprächen in London

Unter der Überschrift „Desaster für Kohl“ kommentiert „Libération“ aus Paris den Streit um den Präsidenten der Europäischen Zentralbank: In einem Deutschland, wo der Respekt vor geschriebenen Regeln geheiligt, die währungspolitische Stabilität eine Religion und die Unabhängigkeit der Zentralbank ein Dogma ist, erschien dieser Kompromiß schockierender als anderswo. Kohl mußte deshalb gestern in Bonn Feuerwehr spielen. Dies genügt aber nicht, um das Desaster zu verdecken. Kohl hat, indem er hinnahm, daß sich die Schlacht um die Präsidentschaft der Zentralbank so verschärfte und im letzten Moment mit einem so fragwürdigen Kompromiß endete, die beiden letzten Trümpfe verloren, die ihm beim Wahlkampf für die Parlamentswahlen im September blieben: sein Ansehen als Baumeister Europas und Garant der deutsch-französischen Zusammenarbeit.

Der Wiener „Standard“ kommentiert das Scheitern der Bemühungen um eine Lösung des Zypern-Konflikts: Sogar Richard Holbrooke, der immerhin das Friedensabkommen für Bosnien-Herzegowina in Dayton durchgepeitscht hat, mußte aufgeben und reiste Montag frustriert von der geteilten Insel ab: Auch der US-Diplomat hat sich an der Zypernfrage die Zähne ausgebissen. Die Schuld am Scheitern der Mission kann aber nicht ihm angelastet werden: Der Mann stand auf verlorenem Posten, weil zuvor schon die Europäische Union den Konflikt angeheizt hatte, anstatt ihn zu beruhigen, indem sie mit der griechischen Republik Zypern Beitrittsverhandlungen aufnahm und dem Nato-Partner Türkei und dessen zypriotischem Anhängsel „Nordzypern“ jede Chance auf Integration in ein gemeinsames Europa nahm. Mit derart undurchdachtem Vorgehen hat die EU den Friedensprozeß auf Zypern um Jahre zurückgeworfen, sich ohne Notwendigkeit griechischem Druck untergeordnet und die Türkei desavouiert.

„Netanjahu isoliert Israel“ meint „Maariv“ aus Tel Aviv zu den Nahostgesprächen in London: Nach Anschlägen kann und muß die israelische Regierung keine Verhandlungen über die Umsetzung der Osloer Friedensabkommen führen. Palästinenserpräsident Jassir Arafat muß Terror verhindern – das ist die Hauptbedingung für die Fortsetzung des Friedensprozesses. Und wenn es keine Anschläge gibt, gibt es keinen Grund, sich mit Fortschritten beim Friedensprozeß zu beeilen. Wo brennt es? Fehlt uns irgend etwas? In der Frage des Truppenabzugs können wir uns nicht nur mit den Palästinensern, sondern auch den USA streiten. 9 Prozent – kein Problem. 11 Prozent – vielleicht, mit Schwierigkeiten. 13 Prozent – kommt nicht in Frage. Um diese Rechenübung zu verstehen, muß man nicht nach London fliegen. Man kann allein in Jerusalem bleiben. Ganz allein.