piwik no script img

„Da ist die Angst, alles zu verlieren“

■ Männer haben Angst vor der Geburt – Interview über ein neues Kursangebot für Väter

Wenn Frauen Kinder bekommen, gehört meist auch ein Mann dazu. „Wie und wobei Hebammen Väter einbeziehen können“ – unter diesem Titel widmet sich der diesjährige Hebammenkongreß dem bislang eher vernachlässigten Thema „Väterarbeit“. In Bremen hat sich jetzt die Hebammenpraxis „Dreiklang“ ein neues Angebot für Väter ausgedacht: Als erste Praxis bietet „Dreiklang“ Geburtsvorbereitungskurse für Männer und Frauen an, die von einer Frau – und einem Mann geleitet werden. Warum Väter besondere Unterstützung brauchen, wollten wir von Kursleiter Hartmut Brockmann wissen. Der Psychologe und Kommunikationstrainer berichtet nämlich von extrem ängstlichen Gefühlen von Männern, deren Partnerinnen ein Kind erwarten.

Wovor haben Männer Angst?

Hartmut Brockmann, Kursleiter: Da ist in erster Linie die Angst, bei der Geburt alles zu verlieren – die Frau und das Kind. Und das würde bedeuten, daß all ihre Liebe, Hoffnungen und Wünsche endgültig verloren wären. Da spielt es auch keine Rolle, ob es zum Thema Geburt irgendwelche statistischen Zahlen gibt. Die Angst bleibt – aber Angst dürfen Männer nicht haben. Denn im Mittelpunkt jeder Schwangerschaft stehen die Mutter und die Sorge um das Kind – während die Ängste und seelischen Schmerzen der Väter gar nicht da sein dürfen, weil das ja die Mutter belasten könnte. Männer leben immer noch die Rolle des Beschützers und des Starken. Und deshalb zeigen sie ihre Ängste auch gar nicht von sich aus. Das wird deutlich an ihrem Verhalten.

Wie verhalten sie sich denn?

Es gibt verschiedene Rollen, die Männer in der Schwangerschaft übernehmen: Die einen werden zum Raushalter, der sich plötzlich ein neues Hobby zulegt. Andere werden zum Trainer, der ganz viele Bücher liest und der Frau sagt, wie sie es machen soll. Oder es gibt die, die sagen: Ich bin ganz hilflos, ich bin eifersüchtig, daß da ein Kind in deinem Bauch ist. Also kümmere dich auch um mich. Oder es kann dazu führen, daß die Väter das nicht aushalten und sich ganz aus der Beziehung verabschieden. Gesellschaftlich und institutionell wird der Mann in der Schwangerschaft auf die Funktion des Helfenden reduziert, wenn er nicht als Störfaktor gesehen wird. Es gibt zwar schon Geburtsvorbereitungskurse für Männer und Frauen, die Hebammen durchführen. Aber die spezifische Rolle des Mannes wird da eben weniger behandelt.

Also ist in der Geburtsvorbereitung in den letzten Jahren der Mann völlig vernachlässigt worden?

In gewisser Weise ja – vor allem auf der Gefühlsebene. Geburtsvorbereitungskurse werden von Hebammen durchgeführt, nicht von Männern. Der Beruf der Hebamme ist weiblich besetzt. Das schließt eine gewisse Abgrenzung zur Rolle des Mannes mit ein. Das kann gerade in der Situation der Geburt besonders deutlich werden. Da übernimmt die Hebamme eine Verantwortung in einer Größenordnung, wie es eigentlich gar nicht notwendig ist, weil die Frau sie ja eigentlich selber übernimmt. Und da ist der Mann eben für viele Hebammen ein Störfaktor. Das gilt natürlich nicht für alle Hebammen, aber bei Geburten in Krankenhäusern merkt man das schon noch: Da kommt bei vielen Männern dann eben die ganze Angst plötzlich hoch, sie werden unsicher, stellen Fragen, fühlen sich hilflos, wissen nicht, was sie tun können, und das Fachpersonal, das weiß, daß alles „normal“ verläuft, wird nervös und schickt sie womöglich weg.

Wie wollen Sie werdenden Vätern diese Ängste nehmen?

Unsere Ängste müssen wir akzeptieren. Es geht vor allem darum, Männer und Väter zu Beteiligten zu machen, sie nicht auf die Rolle des Unterstützers zu reduzieren. Ich möchte Männern die Möglichkeit geben, ihr Beteiligtsein zu stärken. In Vätertreffs oder Geburtsvorbereitungskursen für Paare können sie erleben, daß sie mit ihren Gefühlen nicht allein sind. Sie können sich über ihre Erfahrungen austauschen. Über Ängste zu reden, sich nicht allein zu fühlen, beteiligt zu sein wirkt angstreduzierend und stärkt die Autonomie der Paare.

Und was machen Sie konkret in den von Ihnen vorbereiteten Kursen?

Wir arbeiten auf zwei Ebenen. Wir besprechen die Schwangerschaft und die Geburt in ihren verschiedenen Phasen. Wir thematisieren die unterschiedlichen Rollen und die Bedeutung als Vater und Mutter in der Schwangerschaft und darüber hinaus. Und die Kursteilnehmenden entwickeln ein Zukunftsszenario, was nach der Geburt sein wird. Auf der zweiten Ebene reflektieren wir die Gefühle in diesen einzelnen Phasen der Schwangerschaft und der Geburt. In den Kursen für Väter fokussieren wir natürlich auf die Ängste und Hoffnungen der Väter. Darüber kommen wir ins Gespräch, erkennen Möglichkeiten, mit den Ängsten umzugehen, und dabei merken die Beteiligten, daß sie als schwangere Väter selbstverantwortlich bleiben können, also nicht danebenstehen, sondern wirklich Beteiligte sind. Fragen: Katja Ubben/ Foto: Kay Michalak

Die Hebammen-Praxis „Dreiklang“ bietet Geburtsvorbereitungskurse an. Ab 12. Mai läuft außerdem ein Kurs für Männer, die Väter werden. Weitere Informationen gibt es unter Tel.: 349 14 49.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen