: Lustige Sachbearbeiterpolonaise
■ Bürokraten sind böse, Afrikaner groovy: Die Uraufführung von Susanne Amatoseros „Asylanten“ brachte kaum Erkenntnisgewinn
„Ay, qué día bonita“, freute sich eine Männerstimme beim Betreten des Malersaals über den schönen Samstag und erntete noch bis zum Platzeinnehmen zustimmendes „si,si,si“. In der dritten Reihe forderte eine junge Frau einen anzugtragenden Schwarzen freundlich auf, näherzurücken: „Do you want to sit next to me? Then I can maybe translate.“ Während die Nation sich auf das eurovisionistische Kampfsingen eintrank, wurde im Malersaal die Kleine Völkerverständigung geprobt.
Zur Uraufführung von Asylanten, dem ersten Drama der 46jährigen Hamburgerin Susanne Amatosero, hatten sich ein internationales Publikum, vier deutsche sowie fünf afrikanische Schauspieler, eine japanische Regisseurin und eine Menge guter Willen getroffen. Letzteres eine Art von Vorschußlorbeeren, die die Autorin, Malerin und Filmemacherin nicht nötig hat, hat sie doch bereits acht Hörspiele verfaßt und für eines gar eine Goldmedaille auf dem New Yorker Festival für Hörfunk erhalten. Jetzt aber ging es um Ernstes, das die Regisseurin Kazuko Watanabe wie Amatosero heiter aufbereiten wollte: den Clash der Kulturen.
Eine Projektion zeigt ein landendes Flugzeug, da öffnen sich zur Live-Perkussion von Kojo Samuels in den himmelblauen Wänden Türen, und ein Sachbearbeiterchor erscheint, der steif vor sich hintrippelt und dabei stumpf „A-sy-lanten, ah-sie-landen“ brabbelt. Alles, was diese Menschen in ihrer kleinen Welt interessiert, beginnt mit „A“: Ausweis, Akten, Anstellen, Adios. Als die A-Akte verschwindet, ist das Malheur entsprechend groß. Und als einer der Namenlosen auf der Suche nach dem verlorenen „A“ das schmutzige Wort „Anus“ aussprechen muß, weil er im Arsch eines Afrikaners Drogen vermutet, bekommt er einen Nervenzusammenbruch. Das ist spießig. Das ist unsere Welt.
Die Afrikaner sind natürlich ganz anders, viel relaxter und laid back. „I don't have a profession, I have a mission“, stellt Special Guest sich und seine Landsmänner vor: „Take it easy.“ In den Knien wippend starrt er ungläubig auf die stets durch den Raum patrouillierende Bürokratenpolonaise: „Are these the people that invented the great Mercedes Benz?“ Das ist lustig. So sind die anderen.
In dieser banalen Dialektik bleibt das Stück gefangen. Sie wolle zeigen, daß Asylanten „nicht unbedingt nur Probleme mitbringen, sondern durchaus auch viele Anregungen, Impulse und Wissenswertes“, sagt Amatosero im Programmheft; mit dem Stück versuche sie, „das Thema Asyl von einer anderen Seite“ zu beleuchten. Das mag die andere Seite des Wissensstands der Ausländerbehörde sein; Neuland für das Theater ist es nicht. Statt komplexer Figuren und eines dramatischen Konflikts gibt es lauter kleine Szenen, die den kapitalistischen Bürokratenmenschen als lächerlichen, manchmal grausamen Dummbatz zeigen, während der Afrikaner ein grooviger Gesell ist, der gerne singt, tanzt und Spaß mit seinen Landsleuten hat. Amatoseros Beharren darauf, daß ihr Stück keine politische Botschaft habe, ist angesichts des Themas durchaus zu bedauern.
Watanabe läßt sich ein auf die Schwarzweißzeichnung. Ihre Ausstattung zeigt grau gegen bunt, während ihre Regie sich ganz auf die Kraft des Rhythmus von Trommel und Sprache verläßt. Die Wortspiele – „Stellen Sie sich da an.“ „Jetzt stellen Sie sich nicht so an!“ – amüsieren das Publikum, doch für die „jamans“ auf der Bühne ist die Welt erst wieder im Lot als das Flugzeug abhebt, der 4/4-Takt auf 1 und 3 betont wird und, natürlich, „das A/wieder da“ ist. Da hat alles wieder eine Ordnung. Eine ignorante Ordnung, die durch die bloße Spiegelung der gut/böse-Attribute vom Stück nicht ernsthaft in Frage gestellt wird. Christiane Kühl
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