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Unterm Strich

Apropos Grass: Er ist wieder Mitglied der Berliner Akademie der Künste, aus der er 1989 ausgetreten war. Eine entsprechende Zuwahl des neuen Mitglieds fand am Sonnabend auf der Frühjahrs-Mitgliederversammlung der Berlin-Brandenburger Akademie bei einer Plenartagung im märkischen Hoppenrade statt, teilte Akademiesprecher Manfred Mayer der dpa mit. Grass, der von 1983 bis 1986 auch Präsident der damaligen West-Berliner Akademie war, hatte die Künstlersozietät aus Protest verlassen, weil sie aus Sicherheitsgründen eine Solidaritätsveranstaltung mit dem von einem iranischen Todesurteil bedrohten Schriftsteller Salman Rushdie verweigerte. Ebenfalls wieder aufgenommen wurde der Filmemacher und Autor Marcel Ophuls, der die Akademie auch vor einigen Jahren verlassen hatte. Ein Bericht aus der Akademie, die am vergangenen Wochenende auch Salman Rushdie besuchte, folgt morgen.

Mit schöner Regelmäßigkeit schwadroniert Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen über die Entwürfe für das geplante Mahnmal für die ermorderten Juden Europas. Am Wochenende hat er's wieder getan. „Ich bezweifle, daß die Entwürfe der Aufgabe gerecht werden“, sagte er in einem Interview der Welt am Sonntag. Das oberste Ziel könne nicht sein, die Diskussion zu beenden. „Betrachtet man den Umgang mit dem ganzen Ausmaß des Verbrechens, die künstlerische Darstellung, die Notwendigkeit, daß auch künftige Generationen damit umgehen können, und zieht man den Vergleich mit anderen Mahnmalen wie Yad Vashem oder dem Vietnam-Denkmal in Washington, so zeigt sich, daß die bisher vorgelegten Entwürfe all dem nicht standhalten.“ Woher weiß der Mann das? Alles eine Frage der richtigen Empfindungen. Er, so Diepgen, empfinde es als „anmaßend und irreführend“, wenn Berlin durch den Bau eines solchen Mahnmals dokumentieren müßte, daß man sich sachgemäß mit Geschichte auseinandersetze. Die Stadt habe bereits eine Fülle von Mahnmalen an Orten, an denen etwas geschehen sei. Wenn man offenbar nicht zu überzeugenden Ergebnissen komme, „muß man sich überlegen, ob es nicht richtig ist, sich mit bestehenden Gedenkstätten wie Sachsenhausen oder der Topographie des Terrors zu beschäftigen“. Er habe die große Sorge, daß immer neue Opfergruppen zusätzliche Mahnmale errichten wollten und die Bevölkerung damit überforderten. „Die Vielzahl bringt aber nicht unbedingt eine Intensität der Auseinandersetzung. Häufung und Übertreibung helfen doch wirklich nicht“, sagte Diepgen. Aus Sorge vor Mißverständnissen solle man keine Entscheidung treffen, die künftige Generationen nicht verstünden. „Hier darf es keine Brechstange geben.“ Die Sorge um das Verstehen geht weiterhin um. Auch die Niederlage des Meisters wurde ja damit begründet, man verstehe ihn im Osten Europas nicht. Au. Au.

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