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Der Schatzsucher ist zufrieden

Auch ein 1:1 gegen Fortuna Köln wird den von Präsident Roth umgestalteten 1. FC Nürnberg wohl nicht vom Durchmarsch von der Regional- in die Bundesliga aufhalten  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

„Nie mehr zweite Liga“, schallt es von den Rängen. Und dann immer wieder im Stakkato: „Bayern – wir kommen!“ Die Fans des 1. FC Nürnberg sind aus dem Häuschen. Wieder nur im heimischen Frankenstadion mit Ach und Krach eine Niederlage vermieden (gegen Fortuna Köln 1:1) – aber egal. Seit geraumer Zeit steht der Club, der ein Jahr zuvor noch in der Regionalliga gekickt hat, auf einem Aufstiegsplatz. Fußballwunder, Magie, Hexerei?

Im Juni 1996 war es traurige Gewißheit. Der 1. FCN, immerhin neunmaliger deutscher Meister, stürzte in die Drittklassigkeit ab. Präsident Michael A. Roth, Herr über 115 Filialen für Bodenbeläge, krempelte Verein und Mannschaft um. Er spielte ein Vabanquespiel: Mit einem Zehnmillionen-Etat sollte der sofortige Wiederaufstieg gelingen. „Ich werde alles richten, und in einem Jahr werden alle zufrieden sein“, verbat sich der als Alleinherscher berüchtigte Roth jede Einmischung. Im Juni 1997 waren in der Tat alle zufrieden und der Club wieder zweitklassig.

„Der Aufstieg ist ein Ziel und keineswegs ein Muß“, übte sich der Präsident dann in einer beim Club bislang ungewohnten Bescheidenheit. Nicht sofort wollte man in die Bundesliga, aber eine Saison später, pünktlich zum 100jährigen Vereinsjubiläum im Mai 2000, sollte es schon sein. Als man sich aber am 5. Spieltag am letzten Tabellenplatz wiederfand, war es mit der Ruhe vorbei. Man reagierte wie gewohnt: Seit der letzten Meisterschaft vor 30 Jahren hatte man exakt 30 Trainer verschlissen. Willi Entenmann trägt nun die Nummer 31. Felix Magath sollte das Wunder vollbringen und den Club retten.

Großzügig schrieb man ihm vertraglich eine satte Aufstiegsprämie von 500.000 Mark fest. Keiner glaubte je daran, daß sie fällig werden könnte. „Fußball ist ein kompliziertes Spiel, das einfach gespielt werden muß“, trat Magath seinen Dienst am Valznerweiher an und setzte an der Schwachstelle des Teams, der Abwehr, an. In fünf Spielen hatte der Club 14 Tore kassiert.

Dem tiefen Schnitt fiel mit Peter Knäbel nicht nur der Libero, sondern auch gleich der Kapitän zum Opfer. U 21-Nationalspieler Frank Baumann organisierte von nun an die Deckung – mit Bravour: In den folgenden 24 Spielen kassierte der Club nur ganze 13 Tore, dafür aber beachtliche 53 Punkte. Das reichte zur zwischenzeitlichen Tabellenführung.

„Wir sind noch nicht reif“, versuchte Magath, der „Magier“ (Abendzeitung) nach jedem Sieg gebetsmühlenartig die Euphorie zu dämpfen. Die Spieler übten sich daraufhin eifrigst in Dämpfungsarbeit: Heimniederlagen gegen Frankfurt und den Lokalrivalen Fürth, mühsame Siege beim Schlußlicht Zwickau und gegen Mainz 05 und nun das magere 1:1 gegen Köln. Doch da die Konkurrenz ebenfalls schwächelte, steht der Club immer noch auf Rang zwei. Die Planungen für die Bundesliga laufen auf Hochtouren, und die Lizenz dafür ist ebenfalls schon da.

Gerade das ist keine Selbstverständlichkeit bei einem Verein, der sich in der Vergangenheit beim DFB durch Affären und abenteuerliche Schulden kräftig in die Nesseln gesetzt hatte. Vorläufiger Lizenzentzug, Geldstrafen und Punkteabzug begleiteten den sportlichen Niedergang.

Doch Präsident Roth hatte eine Vision. „Der Club ist etwas Geheimnisvolles wie der Schatz im Silbersee“, erinnerte er sich an Karl May, ließ aber Winnetou nicht sterben. Mit rigorosen Sparmaßnahmen und kräftigen Finanzspritzen aus dem eigenen Teppichimperium konnte er den Konkurs gerade noch vermeiden. Der Fanzuspruch (auch in der zweiten Liga ist man Zuschauerkrösus), reichte jedoch nicht, um aus den roten Zahlen zu kommen. „Wir sind zum Aufstieg in die Bundesliga verdammt“, räumt Club-Schatzmeister Bernhard Kemper unumwunden ein. „In der 2. Liga ist keine schwarze Null zu verdienen.“

Genau diese „schwarze Null“ soll nun ein Vermarktungsvertrag mit der Ufa bringen. Unter dem Strich bleiben daraus dem Club im Falle der Erstklassigkeit runde drei Millionen pro Jahr. Dazu kommt eine Einmalzahlung von fünf Millionen für den Vertragsabschluß.

Manche hartnäckige Altschuld könnte damit getilgt, manche Investition zur Verstärkung des Kaders getätigt werden. In guter alter Club-Manier hat man davon aber schon 1,5 Millionen im voraus verwendet. In dem mazedonischen Sturmtank Sasa Krik, der zusammen mit Torwart Andreas Hilfiker vom FC Aarau in der Winterpause zum Club kam, scheint dies jedoch gut angelegt zu sein. Der 27jährigen Mischung aus „Ente“ Lippens und Gerd Müller reicht oft eine halbe Chance für ein Tor.

Bei der Planung für die kommende Saison in der Bundesliga setzt man beim Club ganz entgegen alten Traditionen auf junge Talente oder Spieler, die ihre Karriere noch vor sich haben dürften. Früher war der 1. FCN bei Fußballrentnern wie Rüdiger Abramczik, Uli Hoeneß oder Hans-Jörg Criens eine gute Adresse, um zum Abschluß ihrer Laufbahn noch ein schönes Auskommen zu haben. Nun kommt vom MSV Duisburg der 23jährige schwedische Stürmer Niklas Skoog, vom FC Augsburg das Torwart-Talent Darius Kampa und von Fürth Mittelfeld-Motor Jochen Weigl. Der „Häßler der Ukraine“, der 27jährige Andrej Polunin, und der 24jährige Christian Wück von Absteiger KSC sind im Gespräch, doch Trainer Magath hält sich bedeckt: „Ein Ronaldo wäre auch nicht schlecht.“

„Es ist richtig, wenn der Trainer das alleinige Sagen hat“, praktiziert Präsident Roth konsequente Nichteinmischung und demonstrierte überraschende Lernfähigkeit. Und Magath will endlich weg vom Image des Nothelfers und langfristig mit dem Club „in einen europäischen Wettbewerb“. Kurzfristig lautet die Devise jedoch: „Wir konzentrieren uns von Spiel zu Spiel.“ So einfach kann Kompliziertes sein.

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