: Eine Ein-Punkt-Kampagne
■ betr.: „Zwangsjacke gegen das MAI“, taz vom 27. 4. 98, „Gewalt monopol des Staates wird nicht an getastet“, Leserinnenbrief von Ul rike Bär, taz vom 5. 5. 98
[...] Souveränität eines Staates bedeutet nicht allein, notfalls Gewalt ausüben zu dürfen, was unsere KritikerInnen zu glauben scheinen. Souveränität beinhaltet auch – was unsere KritikerInnen anscheinend nicht wissen –, daß der Staat trotz einiger Sachzwänge die Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Bildungspolitik usw. gestalten kann. Wenn das MAI das Gewaltmonopol des Staates unangetastet läßt, seine Gestaltungsmacht in anderen Bereichen aber radikal einschränkt, dann ist das Grund genug für eine Anti-MAI-Kampagne, denn es gibt zwar keine Garantie dafür, daß die Menschen(gruppen), die im Namen des Staates handeln (dürfen), gut, besonnen, fortschrittlich oder im Interesse der Mehrheit der BürgerInnen handeln würden, wenn das MAi nicht unterschrieben würde. Aber die BürgerInnen haben gegenwärtig – sei es durch Wahlen, sei es durch Druck von unten – einige Möglichkeiten, dieses Handeln zu beeinflußen. Diese Möglichkeiten würden sie unter dem MAI verlieren. Das Beispiel Gerhard Schröder ist kein Beweis für das Gegenteil.
Warum die heute herrschenden Politiker der OECD-Länder freiwillig das MAI unterschreiben wollen? Ganz einfach! Sie sind Interessenvertreter des Großkapitals oder überzeugte Neoliberalisten, oder sie denken, sie hätten keine andere Wahl, wenn sie ihren Job nicht verlieren wollen. Solche Politiker können/werden sicher das Gewaltmonopol des Staates gegen protestierende BürgerInnen anwenden – mit oder ohne das MAI. Davon haben wir selbst gesprochen.
Die Anti-MAI-Kampagne ist eine Ein-Punkt-Kampagne. Sie will eine große, aktuelle Gefahr für die große Mehrheit der Menschheit (auch für die linke Sache) abwenden. Dieser Zweck wird nicht schlecht, bloß weil auch Rechtsradikale aus anderen Gründen gegen das MAI sind. In den 70er Jahren forderten auch Rechtsradikale Umweltschutz. War also diese Forderung schlecht?
Alle Aktiven in unserer Kampagne sind Internationalisten, viele von ihnen engagieren sich für eine sozialistische Gesellschaft. Aber sie wissen, daß sie, um das MAI verhindern zu können, auch mit Menschen zusammenarbeiten müssen, die den Staat keineswegs abschaffen wollen, oder die zum Kapitalismus keine Alternative sehen und ihn nur etwas sozialer machen wollen. Das bedeutet nicht, daß sie sagen: Deutschland für Deutsche, Ausländer raus! Diese Zusammenarbeit ist richtig. Mit dogmatischen Anti-Staat-Sprüchen kann man die Anti-MAI-Bewegung und die Sache der Linken nur schwächen.
Es stimmt einfach nicht, daß Rechtsradikale auf dem Kongreß selbst aufgetreten sind. Vielmehr haben einige Radikallinke in ihrem Übereifer ganz unnötig drei relativ harmlose, elitistisch denkende Menschen aus dem Foyer rausgeworfen, was uns nur Probleme bereitet hat. Saral Sarkar, Mitglied des Komi-
tees Widerstand gegen das MAI,
Köln
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen