: „Kann ja nicht gottgegeben sein“
■ Die Handelskammer lud Vertreter von Kultur und Wirtschaft zur Diskussion eines „kulturpolitischen Leitbildes“
„Kulturmetropole oder Kulturprovinz – Ist Kultur jeden Preis wert?“ fragte am Mittwoch die Handelskammer und eröffnete mit der Podiumsdiskussion über das „kulturpolitische Leitbild in Erwartung des 21. Jahrhunderts“ und die Möglichkeiten neuer „Public-Private-Partnerships“ zur Kulturfinanzierung eine Reihe von Aktivitäten, mit denen sie ihr kulturelles Engagement verstärken will: Veranstaltungen, Informationsbroschüren und eine „Kultursponsoringbörse“.
Eher für die Interessen der Sponsoren sprach Kunsthallenchef Uwe M. Schneede, indem er dem Feuilleton vorwarf, generell massiv Gegenwind gegen die wirtschaftlichen Aktivitäten der Kulturinstitute zu blasen und, anders als im Sport, jeden Hinweis auf Sponsoren möglichst zu vermeiden, obwohl bereits fünf Prozent der Kulturausgaben über Sponsoring finanziert werden. Ob das viel oder wenig ist, liegt im Auge des Betrachters. Einigkeit herrscht indes darüber, daß Sponsorengelder nur fürs Besondere sind, der Staat aber keinesfalls aus seiner Verpflichtung zur breiten Grundversorgung entlassen werden darf.
Die Kultur ist, wie Thalia-Chef Jürgen Flimm bildlich formulierte, doch bloß der Floh im Pelz des Stadthaushalts: deutlich weniger als zwei Prozent der Ausgaben. In einem der reichsten Länder der Welt könnten die defizitären Haushalte ja nicht gottgegeben sein – auch wenn niemand mehr bereit sei, darüber nachzudenken.
Die Kultursenatorin hat für den Mangel vier Rezepte: Strukturreform, Flexibilität, Dienstleistung und Partnersuche. Doch dummerweise ist auch sie „nicht viel mehr als die Sklavin der Senatsbeschlüsse“ (Flimm) und von einer Bürgerschaft abhängig, die einfach nicht einsehen will, daß Geld für die Kultur kein Minderheitenluxus, sondern Investition ist: Jede in die Kultur gesteckte Mark bringt über indirekte Ausgaben der jährlich 18 Millionen Kulturverbraucher der Stadt 1,60 Mark zurück.
Einem gewissen Unbehagen der anwesenden Kulturschaffenden gab die Künstlerin Sabine Siegfried vom Büro Archipel Ausdruck, indem sie vorsichtig darauf hinwies, daß gerade diejenigen, die sich intensiv bemühen, noch die letzte zu zahlende Steuermark zu unterschlagen, so vehement über den Mangel an staatlichen Geldern für die Kultur klagen. „Gesellschaftliche Verantwortung“ und „kulturelles Engagement“ sind leicht einzufordern, aber in der Praxis können die notwendigen Reformen doch manche verstimmen. Hajo Schiff
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