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Molotow-Cocktails auf türkische Einrichtungen

■ Keine Verletzten, doch nach erneuten Brandanschlägen droht Gefahr der Selbstjustiz

„Wenn die Polizei uns nicht schützen kann, wird es zur Selbstjustiz kommen“, befürchtet ein junger Türke, der den Brandanschlag miterlebt hat. In der Nacht zum Donnerstag, exakt um 23.41 Uhr, hatten vier Unbekannte einen Molotowcocktail durch die Scheibe des türkischen Lokals „Kösk“ am Neuen Kamp (Karolinenviertel) geschleudert.

Nur durch Zufall kam keiner der Anwesenden ernsthaft zu Schaden. Die rund zehn Gäste hatten sich im hinteren Teil des Restaurants aufgehalten, das Feuer konnte binnen weniger Minuten von ihnen und mehreren Polizeibeamten gelöscht werden. Zwei der Gäste mußten sich jedoch im Hafenkrankenhaus wegen einer leichten Rauchvergiftung behandeln lassen. Den Sachschaden beziffert der Restaurantbesitzer mit 50.000 bis 70.000 Mark.

Es sollte in dieser Nacht nicht der einzige Anschlag gegen türkische Einrichtungen bleiben. Um 0.30 Uhr warfen drei Unbekannte einen Brandsatz in ein – bereits geschlossenes – Lokal am Veddeler Damm. Der Molotowcocktail verlosch von selbst und richtete nur geringen Sachschaden an. Eine viertel Stunde später schleuderten drei Männer zwei Benzinflaschen gegen die Fensterscheibe des Türkischen Kulturvereins in der Bartelsstraße, der als Treff rechtsnationalistischer Türken gilt. Auch bei dieser Aktion wurde niemand verletzt. Sowohl das Veddeler Lokal als auch der Kulturverein waren in jüngster Vergangenheit bereits mehrfach das Ziel von Anschlägen.

Für den Besitzer des Restaurants am Neuen Kamp wurde der Anschlag „zu 99 Prozent“ von Aktivisten aus dem Umfeld der verbotenen kurdischen Befreiungsorganisation PKK ausgeführt. Auch Polizeisprecher Michael Wenig geht „nach Zeugenaussagen“ davon aus, „daß es sich bei den Tatverdächtigen vermutlich um Angehörige des kurdischen Volkes handelt, die auf ihre Situation in der Türkei aufmerksam machen wollten“.

Zudem fanden fast zeitgleich sieben weitere Brandanschläge gegen türkische Einrichtungen in mehreren anderen Bundesländern statt, die von der Polizei ebenfalls kurdischen AktivistInnen zugeschrieben werden. Der Hamburger Ausländerbeauftragte Günter Apel warnte allerdings „vor voreiligen Schlüssen über die Täterschaft“ und „Vorverurteilungen“, bevor die „Schuldigen nicht gefaßt und verurteilt worden seien“.

Marco Carini

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