: Etwas von Trap wird bleiben
Mit einer großen Geste und dem Gewinn des DFB-Pokals verabschiedet sich der gescheiterte Giovanni Trapattoni beim 2:1 über Duisburg von Bayern München ■ Aus Berlin Peter Unfried
Puh! Am Ende hatte Basler das Tor gemacht, und die Duisburger lagen am Boden. Worauf sich der eine Zehnjährige zum anderen wandte und sehr glücklich auf die in Blauweiß deutete und die Worte sprach: „Flasche leer.“
Genau. Wäre ja ganz schön gewesen, so eine Außenseiter-wird- Sieger-Geschichte. Noch schöner aber ist natürlich die Storia von Herrn Giovanni Trapattoni, dessen Münchner Zeit in einer Berliner Nacht so wunderbar stimmig zu Ende gegangen ist.
Der gute Mensch muß sich nicht titellos davonmachen, sondern durfte doch noch einen schönen, großen, goldenen Pokal in Händen halten. Dazu hatte man ihn freilich zurück aus den Katakomben holen müssen, in die er unmittelbar nach Spielschluß geeilt war. Die Ehrenrunden waren gerannt, die Lieder geschmettert, die Umarmungen eigentlich erledigt – da kam er durch eine hohle Gasse auf den Rasen. Babbel schüttelte seine Hand, Basler griff nach der Schulter, andere Spieler auch, dann wurde Trapattoni von den Profis des FC Bayern in den Himmel geworfen. Ach, ein wunderschönes Bild war das, eine große Geste. Das Herz wollte einem zerspringen vor Rührung.
Ausgerechnet Basler hatte in vorletzter Minute per Freistoß das siegbringende 2:1 gemacht. „Ich glaube, man hat in der 2. Halbzeit gesehen“, sagte er danach, „daß wir heute unbedingt den Titel für den Trainer gewinnen wollten.“ Nicht unbedingt, bei Basler allerdings.
In Duisburg hadert man natürlich. Lange sah es aus, als gehöre dem MSV die Nacht – und bis Salou raus mußte, war Hoffnung (siehe Kasten) und Leben. Daß das Spiel allerdings „eines der besten Pokalfinals der vergangenen Jahre“ gewesen sein soll, wie Bayern-Keeper Kahn behauptet, darf man getrost bezweifeln.
Es war, wie gesagt, ein standesgemäßer Abschied für Trapattoni (59). Der liebenswürdige Mann, in Italien längst von nachrückenden Kräften überrundet, hatte seinem Arbeitgeber und Gastland Spektakel versprochen und auch gebracht – allerdings nie auf dem Spielfeld. Da hat er es verhindert, weil er glaubt, nur so erfolgreich sein zu können. Insofern hat ihn die uninspirierte Partie noch einmal bestätigt. Ihr Ende auch: Daß ausgerechnet Mario Basler den Siegtreffer schoß, wird neben Basler selbst in München allenfalls seinen zeitweiligen Förderer Trapattoni gefreut haben.
Oder hatte einer wirklich ernsthaft angenommen, ausgerechnet Trapattoni werde zum Abschied furiosen, G-R-O-S-S-E-N Fußball spielen lassen?
Wie? Eben.
Als man zur Anzeigentafel hochblickte, mochte man wieder einmal staunen, ob dieser Ansammlung guter und sehr guter Fußballprofis. Als dann gespielt wurde, erinnerte man sich umgehend, daß Trapattonis Scheitern darin bestanden hat, all diese individuellen Qualitäten nicht für eine gemeinsame Sache gebündelt zu kriegen.
Als er das Spiel nach einer halben Stunde mit einer Doppelauswechslung herumriß, war das weniger ein Geniestreich als ein Schuldeingeständnis. Stimmt: Fink kam tatsächlich besser als Helmer mit Salou zurecht. Und mit Jancker und nun zwei Stürmern kam der FC Bayern besser ins Spiel.
„Man mußte sofort wechseln“, sagte Trapattoni später, „die Mannschaft war blockiert.“ Klar war sie das – ohne Spielmacher und mit nur einem Stürmer.
Es war auch nicht so, daß irgend etwas, was der MSV Duisburg vorher anstellte, überraschend gewesen wäre. Sie machten, wie schon beim 0:0 am vorletzten Bundesliga-Spieltag, bloß fleißig, was Friedhelm Funkel sie gelehrt hat.
Tatsächlich spielte der FC Bayern mehr Fußball, als er 0:1 hinten und mit dem Rücken zum Pokal lag. „Mußte Risiko passieren“, nannte der Trainer es, daß Scholl in die vorher unbesetzte Rolle des zentralen Lenkers hüpfte und Elber, Matthäus nun ein bißchen Fußball spielten. Trapattoni nennt Fußballspielen „Risiko“. Es ist das Gegenteil von Trapattoni. Er muß sehr verzweifelt gewesen sein, um sich dazu durchzuringen.
Am Ende sagte er gar nicht viel, „Traurigkeit“ sei in ihm, und er „nicht mehr jung.“ Immerhin: „Eins von drei Zielen erreicht, der Pokal war eine große Prämie für meine Arbeit.“ Wäre man mißgünstig, könnte man ihm nachrufen: eher eine angemessen kleine Prämie für kleinen Fußball.
Aber wer wollte das? Beifallumrauscht ist der lombardische Bauernsohn in die Nacht entschwunden. Florenz wartet, eine neue Aufgabe, dort wird man seiner Philosophie verständnisvoller entgegenstehen. Auf der Video- Wand hat man ihn nochmal lächeln sehen und dann sprechen: „Ciao, grazie.“ Das war's mit Giovanni Trapattoni. Ganz verschwinden wird er aber nicht, etwas von ihm wird bleiben. Zwei Worte. Die sind nämlich in die Umgangssprache eingegangen.
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