: Familientauglich
■ Nicht gerade genial, aber erhellend: Gesammelte Comics von Greser und Lenz
In der Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung finden sich auf der wohl unwitzigsten Witzseite der Welt Cartoons von so herzbetäubender Unbedarftheit, daß sich die Frage aufdrängt, ob die Kunst des gezeichneten Witzes überhaupt noch angebracht ist. Dagegen die FAZ hat's. Dort nämlich veröffentlichen die Titanic-erprobten Herren Greser und Lenz seit einiger Zeit exklusiv ihre lieblichen Bilder, mit denen sie schon so manches Thema aus dem politischen oder privaten Alltag ins Absurde überführt haben.
Ihre nun im Antje Kunstmann Verlag erschienene Sammlung „Rettet die Faustkeilindustrie“ umfaßt Witze aus den Jahren '96 und '97, in denen die verschiedenen Krämpfe und Plagen der jüngsten Vergangenheit, wie BSE, Telekom, deutsche Sparpolitik oder der große Lauschangriff nicht unbedingt genial, aber doch erhellend kommentiert werden. Obwohl gerade beim politischen Cartoon überall die Fußangeln des schnöden Kabaretts herumliegen, staksen Greser und Lenz zumeist elegant dran vorbei. Zeichnerisch beflissener als so charmante Konkurrenzkrakler wie Rattelschneck und humoristisch im besten Falle im Gary-Larson-Bereich. Die Scherze der Künstler sind konstant familientauglich: Ein Pfarrer fragt den Beichtenden nach dem Sternzeichen, ein Marsmännchen gibt nach 173 Jahren beschämt sein Buch an die Leihbücherei zurück, und ein Schiedsrichter schreit versehentlich „Tooor“. Witziger sind die Lenzgresers, wenn es um die Frankfurter Buchmesse, politische Korrektheit und die Zeitschrift Emma geht. Im Kulturbetrieb oder bei den Alternativen kennen sie sich offenbar besser aus: Unter dem Titel „Der deutsche Herbst '97“ sieht man ein älteres Ehepaar verunsichert die Parolenschmiererei an einer Mauer betrachten: „Bürger, zahlt eure Steuern pünktlich!“
Nebenbei ist das Büchlein auch ein Jahresrückblick, in dem Ereignisse wie Eduard Zimmermanns Ruhestandsantritt, die Reemtsma- Entführung und der Tod von Diana zur Erwähnung kommen. In einem Nachwort geben die Greserlenze dankenswerterweise zu Protokoll, was sie in den Buchrezensionen nicht lesen möchten: „Mit spitzer Feder auf den Punkt gebrachte Mißstände, bei denen dem Betrachter das Lachen im Hals stecken bleibt.“
Hätten sie wohl gern, aber es stimmt halt leider wirklich nicht. Richard Oehmann
Achim Greser & Heribert Lenz: „Rettet die Faustkeilindustrie.“ Antje Kunstmann Verlag. Eine Ausstellung mit Greserlenz-Werken im Kulturbahnhof Kassel läuft noch bis zum 27. Juni.
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