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Unter dem Druck der Front National

Frankreichs bürgerliche Rechte sortiert sich neu. Die UDF ist praktisch tot, eine neue „Alliance“ versucht die Konservativen zusammenzubringen. Doch die Gesichter bleiben die gleichen wie seit Jahren  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

„Alliance“ – der Name des neuen französischen Rechtsbündnisses klingt so beruhigend wie eine Versicherung. Doch was dazu gedacht war, die angeschlagenen bürgerlich-konservativen Parteien RPR und UDF aus ihrer Krise zu holen, hat sie vorerst noch tiefer hineingerissen. Dafür gesorgt hat der französische Ultraliberale Alain Madelin. Am Wochenende trat er, zusammen mit seiner „Démocratie libérale“, der neuen Sammlungsbewegung bei und verließ zugleich das alte liberale Bündnis UDF. Ergebnis: Die UDF ist de facto tot, und die Alliance zerfleischt sich fünf Tage nach ihrer Gründung bereits in internen Machtkämpfen.

Exakt zwanzig Jahre nachdem der spätere Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing die UDF aus mehreren liberalen und zentristischen Parteien zusammenschusterte, ist damit eine tragende Säule des Bündnisses weggebrochen.

Die zurückbleibenden Politiker, darunter der französische Lieblingsverhandlungspartner der Europafreunde in der CDU, der Zentrumspolitiker François Bayrou, können die UDF allein nicht mehr halten. Bayrou, der im März selber angekündigt hatte, „etwas Neues“ gründen zu wollen, steht jetzt unter Zugzwang. Ihr für den 6. Juni geplanter Parteitag wird möglicherweise der letzte ihrer Geschichte werden.

Spätestens seit den französischen Regionalwahlen vom vergangenen März war die UDF täglich tiefer in die Krise getaumelt. Aus ihren Reihen waren sämtliche Umfaller gekommen, die sich mit den Stimmen der rechtsextremen Front National zu Regionalratspräsidenten hatten wählen lassen. Zwar hatte UDF- Chef François Léotard diese Männer umgehend aus der UDF ausgeschlossen.

Die Démocratie libérale aber, aus deren engerem Kreis Figuren kommen wie Charles Millon (der dank der rechtsextremen Unterstützung die Region Rhône-Alpes rund um die Großstadt Lyon regiert) und Jacques Blanc (der dieselbe Zusammenarbeit im Languedoc-Roussillon, rund um die Stadt Montpelliers praktiziert), wollte nicht so weit gehen.

Für sie sind Millon und Blanc lediglich „im Parteiurlaub“. Offiziell sollen sie da bleiben, bis sie verstanden haben, daß sie sich „in einer Sackgasse“ befinden.

Zumindest für einen der Umfaller, den Ex-Verteidigungsminister und jetzigen Regionalratspräsidenten Charles Millon, stellt sich die Sache ganz anders dar. Auch nachdem er zahlreiche Front-National-Politiker an die Spitze von Kommissionen in seiner Region gehievt hat, will er die Franzosen weiter glauben machen, daß er „völlig unabhängig von den Rechtsextremen“ sei.

Völlig unbeirrt durch die lauten Kritiken aus Paris, die bis zum Staatspräsidenten reichen, hat er inzwischen seinerseits eine neue Partei namens „la Droite“, die Rechte, gegründet. Die Front National, die in la Droite eine Übergangspartei zwischen Rechten und Rechtsextremen sieht, begrüßte diesen Schritt.

Das Parteigründungsfieber auf der französischen Rechten als Reaktion auf deren Krise hat ihre Glaubwürdigkeit nicht gerade vergrößert. Bereits bei den Kantonalwahlen, die eine Woche nach den denkwürdigen Regionalratsbündnissen zwischen Rechten und Rechtsextremen stattfanden, wandten sich mehr Wähler als je zuvor von den beiden traditionellen bürgerlichen Rechtsparteien RPR und UDF ab. Wenig später bekam bei einer Nachwahl in der Mittelmeerstadt Toulon der Kandidat der Konservativen nur noch den Rang einer Splitterpartei. Gestern erklärte Zentrumspolitiker François Bayrou, er bedaure die Abspaltung der Démocratie libérale unter anderem deshalb, weil sich „nicht die politischen Gegner, sondern die Freunde untereinander bekämpfen“. Die Öffentlichkeit, so Bayrous Analyse, „betrachtet diese Explosion als Zeichen von Schwäche“.

An der Spitze der französischen Rechten, wo gegenwärtig keine einzige Frau eine öffentliche Rolle spielt, zerfleischen sich die den Franzosen sattsam bekannten üblichen Männer. Auch nachdem sich die Parteigründer von RPR (Jacques Chirac) und UDF (Giscard d'Estaing) aus der direkten Parteiarbeit zurückgezogen haben, sind die Namen und Gesichter der übrigen Spitzenpolitiker seit Jahren unverändert.

Auch die Gründung von Alliance Ende vergangener Woche durch die Herren Philippe Séguin (RPR-Chef) und Léotard (UDF- Chef) hat die Praxis der Spaltungen nicht beendet. Zwar erklärte Léotard, heute gebe es im Gegensatz zu früheren Jahren immer mehr „Gemeinsamkeiten zwischen RPR und UDF“. Doch die RPR setzte gleich hinterher, daß bei der im kommenden Jahr anstehenden Europawahl keinesfalls an eine gemeinsame Kandidatur unter dem Rubrum „Alliance“ gedacht sei.

Dabei haben die Herren an der Spitze der französischen Rechten im Grunde genau verstanden, daß es eigentlich gar nicht um sie geht. „Die Franzosen“, so Franois Léotard in einem luziden Moment, „haben genug von den Generälen und den Kapellen, die sich um einen Mann herum bilden, der vier Jahre später Präsident werden will.“

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