Durchs Dröhnland: Ballert genauso
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Deutscher Politpunk krankt meistens am krankhaften Pathos und dem Unvermögen, sich selbst auch mal distanziert sehen zu können. Graue Zellen aus dem Norddeutschen pulverisieren zwar nicht gerade dieses Vorurteil, aber ihre Haß-Songs gegen Bullen, Kanther und die Zustände im allgemeinen taugen auch einfach als knorke trockene Rockmusik, die den einen oder anderen kleinen Hit im Angebot hat. In Songs wie „Plötzlich Ruhe“ hinterfragt der standhafte Straßenkämpfer sogar, ob die „geilen Zeiten“ nicht vorbei, die Ziele nicht „verloren“ sind. Soviel Selbstreflexion ist dann doch ziemlich neu im Deutschpunk.
22.5., 21 Uhr, Tommy-Weißbecker-Haus, Wilhelmstraße 9
Irgendwie scheint Lydia Lunch immer dagewesen zu sein und einen treu beim Älterwerden begleitet zu haben. Und tatsächlich ist es auch nicht mehr weit bis zu ihrem 40. Geburtstag. Vielleicht liegt es ja daran, daß sie sich größtenteils verabschiedet hat vom Kreischen, das sie in ihren Anfangstagen quer durch sämtliche New Yorker Galerien aufführte. Von der in allen Kunstformen überzeugt dilettierenden Ikone hat sie sich inzwischen zur Spoken-Word- Artistin moduliert, die wie kaum eine andere den Klang der Worte Klang sein läßt. Da nimmt die Bedeutung meist nur die Nebenrolle ein, während geflüstert, gejapst und geröchelt wird, unterstützt von minimalistischen Klavierklängen.
22.5., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224
Auch Solo macht Enrique Bunbury schlußendlich noch ziemlich denselben Schmock- Rock, für den er früher als Vorturner von Heroes del Silencio verantwortlich war. Nur daß diesmal die Schießbude nicht von einem Schlagzeuger betreut wird, sondern programmiert ist. Ballert aber genauso. Und das peinliche Pathos seiner Stimme, Texte und Melodien wird Bunbury auch nicht mit ein paar modischen Samples aus einer angesagten Sound-Bibliothek los.
24.5., 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108–114
Nein, es läßt sich nicht leicht altern, wenn man mit einer Hymne berühmt geworden ist, in der die Schule abgefackelt wird. Was aber auch nicht gerade da hätte enden müssen, wo Extrabreit schon lange angelangt waren: als abgetakelte Rocker. Immerhin muß man ihnen zugute halten, daß sie nach 20 Jahren endlich selbst gemerkt haben, daß es an der Zeit ist aufzuhören. Abschiedstour und „Amen“-Album sollen daher auch die letzten ihrer Art sein. Versprochen.
24.5., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz
Die neue Platte von Motörhead beginnt mit einem „Hey“. Das kommt so aufgeräumt, als hätte Lemmy gute Laune. Auf Fotos wird doch tatsächlich gelacht, und auch der Boogie des Trios rollt bei weitem nicht mehr so bedrohlich. Überhaupt ist es mit Motörhead nicht mehr dasselbe, seit zwei Typen Gitarre und Schlagzeug bedienen, die aussehen wie echte Menschen. Der eine hat sogar eine Fönwelle, das geht doch nicht!
25.5., 20 Uhr, Huxley's
Pram verschafften schon vor Jahren der angeblich kühlen Elektronik soviel Wärme, daß sie nie recht als die Innovatoren wahrgenommen wurden, die sie waren, sondern eher als hoffnungslose Romantiker, die mal besser 50er-Jahre-Soundtracks schreiben sollten. Was natürlich auch nicht unwahr war. Denn die vier aus Birmingham wissen, wie man elegisch buchstabiert, sie haben aber trotzdem kein großes, kitschig-mächtiges Gefühl, sondern viele kleine zarte, die sie vorsichtig und herzallerliebst vertonen.
25.5., 21 Uhr, Knaack
Andere Punkbands beschweren sich zwar schon mal gerne über die arroganten Großverdiener aus den Staaten, aber der treuen Begeisterung der Fans tut das wenig Abbruch. Was natürlich daran liegt, daß sich Bad Religion immer nur anhören wie Bad Religion. Konsequenz, potenziert mit Starrsinn, ist ihr Markenzeichen. Greg Gaffin war 15 Jahre alt, als er die Band gründete. Inzwischen hat er es zu einem Doktortitel, einer florierenden Plattenfirma und einer gutbürgerlichen Familie gebracht. Ausgesehen wie ein Gebrauchtwagenhändler hat er schon immer, und so geschäftstüchtig ist er auch. Weshalb zuletzt auch die Tote Hose Campino zusammen mit ihm die Stimmbänder strapazieren durfte. Schließlich ist Deutschland auch für Punkrock der zweitgrößte Markt.
27.5., 20 Uhr, Huxley's
Einen ziemlich lustigen Schrammelrock spielen Impure Thoughts, als wäre Berlin nicht die Stadt voller Hundescheiße, sondern genau der richtige Ort für von Wüstenwind verwehte Gefühle. Ungefähr die Sorte Emotion, die man sich nicht so recht erklären kann, weswegen die Gitarren beginnen und wieder abbrechen, dann sich mal episch geben, ehe sie punkig losbratzen, während die Stimme unsicher knackt, als suche sie nach dem richtigen Wort. Man könnte es Lo-Fi nennen, wenn es nicht zu sehr verstärkt und die Folkwurzeln nicht so verschüttet wären. Man könnte es auch – in einem netten Sinne – einfach Rockmusik nennen, wenn das nicht so altmodisch wäre.
28.5., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Eintritt frei!
Freundlicherweise wird im letzten Infoblatt der Plattenfirma beantwortet, warum H-Blockx heißen, wie sie heißen: „H-Blockx ist die Bezeichnung der Gefängnistrakte für IRA-Mitglieder in Irland. Wieso dieser Name für eine Band? Warum nicht, hört sich doch cool an.“ Wieso muß eine Band so dämlich sein? Weil es genug Idioten gibt, die ihren hübsch wummernden Crossover kaufen, auch wenn es reichlich Bands gibt, die das auch können, ohne vorher ihr Hirn an der Theke abgegeben zu haben.
28.5., 19 Uhr (!!), SO 36, Oranienstraße 190 Thomas Winkler
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