: Die Stadtbahn erwacht aus der Narkose
Großer Bahnhof nach Investition von zwei Milliarden: Ab Sonntag fahren Fernzüge und Regionalbahnen wieder auf der Stadtbahn. Alexanderplatz und neugetaufter Ostbahnhof werden an ICE-Verkehr angebunden ■ Von Bernhard Pötter
Max der Maulwurf legt die Schippe weg und geht ein Bier trinken. Denn das Maskottchen der Bahn für den Umbau der Stadtbahn hat erst einmal seine Schuldigkeit getan. Ab Sonntag rollen die Züge des Fern- und des Nahverkehrs aus allen Richtungen nach einer Unterbrechung von fast 50 Jahren wieder durch die City. Damit ist der erste Teil des gigantischen Sanierungsvorhabens der Bahn geschafft. Der zweite Teil, die Nord-Süd-Bahn durch den Fernbahntunnel zum Lehrter Bahnhof, wird dagegen noch etwas auf sich warten lassen. Durch den Wassereinbruch im Tunnel und die Probleme beim Bauen wird die Verbindung mit einjähriger Verspätung erst 2003 fertiggestellt, bestätigte die Bahn (siehe unten).
Mit dem Beginn des Sommerfahrplans und einem Sonderticket für zwei Mark feiert die Bahn am Sonntag das Ende der Stadtbahn- Sanierung: Künftig werden die Fernzüge aus dem Norden, Süden und Westen nicht mehr am Bahnhof Zoo enden, sondern über die Stadtbahn zum Alexanderplatz und zum Hauptbahnhof nach Rummelsburg fahren. Auch die Regionalzüge führt die Bahn aus dem Umland über die Stadtbahn, und der Flughafen Schönefeld wird an den Alexanderplatz mit dem Airport-Express angebunden. Gleichzeitig wird der Hauptbahnhof wieder in Ostbahnhof umbenannt und das ICE-Erhaltungswerk in Rummelsburg in Betrieb genommen. Täglich sollen über die erneuerten Gleise 360 Fern- und Nahverkehrszüge neben 800 S-Bahnzügen fahren.
Mit dem Ausbau der Stadtbahn beginne ein „neues Bahnzeitalter“, erklärte Bahn-Chef Johannes Ludewig bei der Eröffnungszeremonie am Mittwoch. Insgesamt zwei Milliarden Mark hat die Bahn AG während der letzten vier Jahre in den 8,8 Kilometer langen Streckenabschnitt investiert, etwa eine Million Tonnen Altmaterial abgetragen, 42 Kilometer Schienen und 60.000 Schwellen verlegt. Die Bahnhöfe Hauptbahnhof, Jannowitzbrücke, Alexanderplatz, Friedrichstraße, Bellevue, Tiergarten, Hackescher Markt und Zoo wurden grundsaniert und behindertengerecht ausgebaut. Das denkmalgeschützte und in Europa einmalige Stadtbahnviadukt, das mit seinen 500 gemauerten Gewölbebögen als architektonische Meisterleistung von 1882 gilt, wurde von der Bahn mit einer neuen Betondecke versehen, die den Schall dämpfen und die Erschütterung besser abfangen soll. Zur Geschichte der Bauarbeiten gehört die Verzögerung wegen Munitionsfunden ebenso wie die Peinlichkeit einer Neuplanung der Gleise: Im ersten Anlauf hatten die Bahnplaner die Fernbahngleise so eng zusammengelegt, daß zwischen zwei Zügen nur 2,5 Zentimeter Platz geblieben wäre.
Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) wies darauf hin, daß der Bund für das Pilzkonzept, das seine zentralen Knoten am neugebauten Lehrter Bahnhof haben soll, insgesamt 10 Milliarden Mark investieren werde. „Zusätzlich stellt der Bund zwischen 1991 und 2002 für Investitionen in das S-Bahn-Netz rund 5 Milliarden Mark zur Verfügung“, so Wissmann. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) lobte: „Die alte Insel Berlin wird immer mehr zum Festland.“ Ab Sonntag rücken auch Berlin und Umland enger zusammen: Fünf Regional-Expresslinien werden erstmals direkt mit dem Zentrum der Stadt verbunden und in Zoo, Alexanderplatz und Hauptbahnhof (ab Ende 1998 auch Friedrichstraße) halten. Von 110 Bahnhöfen können dann nach Angaben der Bahn 1,2 Millionen Menschen aus Brandenburg Berlin besuchen. Auf einigen dieser Stellen setzt die Bahn 76 neue Doppelstockwagen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 Stundenkilometern ein. So soll zum Beispiel die Fahrt vom Alex nach Potsdam 30 Minuten, nach Ludwigsfelde 35 Minuten und nach Fürstenwalde 36 Minuten dauern. Der Airport- Express schließlich soll in 31 Minuten den Flughafen Schönefeld von Zoo über Alexanderplatz, Ostbahnhof und Karlshorst anbinden.
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