: Schon bald wieder im selben Boot?
■ Nach dem EU-Verbot ist Premiere Kirchs einzige Chance, Pay-TV-Rechte zu verwerten
Deutsche Fußballgucker können erst mal aufatmen. Die Chancen sind gestiegen, daß auch bei der nächsten Fußball-Weltmeisterschaft die meisten Spiele ohne Extragebühr zu sehen sein werden, nachdem die großangelegten Pay-TV-Pläne von Kirch und Bertelsmann in Brüssel gescheitert sind.
Dabei hatte es sich Leo Kirch so schön ausgerechnet: Rund 3,5 Milliarden Mark hatte der Medienmogul für die Weltübertragungsrechte an den WMs 2002 und 2006 hingelegt. Und die, so hatte sein Manager Dieter Hahn betont, müßten mit Pay-TV eingespielt werden.
Nach dem Verbot ist fraglich, was Kirch jetzt mit den Rechten macht. Mehr noch gilt das für Spielfilmdeals, für die Kirch in Hollywood mit mehr als acht Milliarden Mark in der Kreide steht. Die hat er nämlich extra fürs Bezahlfernsehen abgeschlossen, die WM-Rechte kann er immerhin auch an frei empfangbaren Sender verkaufen.
Es gibt nur einen realistischen Weg, wie der finanziell stark in Bedrängnis geratene Kirch für seine Pay-TV-Rechte noch einigermaßen Geld sehen kann: Premiere. Den derzeit einzigen deutschen Bezahlfernsehsender hatten Bertelsmann und Kirch zum Zentrum ihres groß angelegten Digital-TV- Plans machen und ihn zum Paket mit zahlreichen digital übertragenen Kanälen für Spielfilm, Fußball und Sex ausbauen wollen.
Das Brüsseler Verbot verwehrt den Konzernen einstweilen lediglich, zum einen die digitale Technik- und Programmplattform mit dem Monopolkabelnetz der Telekom zusammenzuwerfen und somit alle Vermarktungs- und Übertragungswege zu beherrschen. Zum anderen bedeutet das Verbot, daß die Konzerne Premiere nicht je zur Hälfte besitzen dürfen. Bislang gehören Bertelsmann über seine Tochter CLT-Ufa 37,5 Prozent, Kirch hat 25 Prozent.
Den Ausbau von Premiere zum Digitalangebot hatten Bertelsmann und Kirch auch für den Verbotsfall vereinbart. Sogar die Kirch-Technik d-Box, die ihnen die EU-Kommission schon während des Verfahrens untersagte, wollen sie möglicherweise anwenden – wichtig für Kirch, weil er für eine Milliarde Mark entsprechende Empfangsgeräte bestellt hatte. Inwieweit die beiden Partner diese „Auffanglösung“ wirklich umsetzen können, ist noch unklar. Wenn sie wollten, könnten sie ihre Pläne aber teilweise trotz der EU-Entscheidung verwirklichen.
Vorerst haben die Konzerne aber zwei Probleme: Das eine ist, was aus jenen 37,5-Premiere-Prozenten wird, mit denen die beiden das Pay-TV zum Fifty-fifty-Sender machen wollten, und die ursprünglich beim französischen Canal+ lagen. Sie waren schon mal auf eine Kirch-Firma übergegangen. Nun müssen sie an die Franzosen zurückgehen, die sie aber nicht mehr wollen. Wenn Bertelsmann und Kirch den Anteil dennoch aufteilen wollen, müssen sie einen neuen Genehmigungsantrag stellen – mit ungewissen Ausgang. Oder sie müssen sich einen dritten Partner suchen – aber wer sollte das sein?
Das größere Problem aber ist Leo Kirch selbst. Je größer bei ihm die von Bertelsmännern beschriebene „Panik“ nach dem Verbot wird, desto schwerer werden ihn die Bertelsmänner im Boot halten können. Schließlich wird er einerseits möglichst viel der halben Milliarde Mark, die ihm durch das Verbot entgeht, durch überhöhte Rechtepreise bei Premiere wieder hereinholen wollen. Und er kann darauf verweisen, daß andererseits Medienzar Rupert Murdoch in seine Aktivitäten einzusteigen droht, zum Beispiel bei Sat.1. Wie realistisch diese Drohung mit Murdoch ist, ist schwer auszumachen – immerhin gab der Unternehmer Kirch im letzten Jahr beim geplanten Einstieg bei DF1 einen Korb. Jedenfalls schreckt sie die Bertelsmänner genügend: Sie wollen niemand anderen im deutschen Markt sehen, als Lieblingskonkurrenten Kirch.
Doch einen Versuch Kirchs, sie ganz schnell wieder ins Boot zu ziehen, lehnte Bertelsmann gestern erst mal ab: Das Paket auf der Basis des in Brüssel gescheiterten Kompromisses noch einmal zur Genehmigung vorzulegen, rechne sich für sie nicht. Lutz Meier
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