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Hilfe und Selbsthilfe

■ Stiftung für Auszubildende gegründet, die vom Lehrlingslohn nicht leben können

Kurzfristig gedacht kann es widersinnig erscheinen, eine Berufsausbildung zu machen. Acht Stunden Maloche am Tag und weniger Geld, als das Sozialamt zahlt – rund 100 Jugendliche pro Jahr, so die Schätzung der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS), brechen in Hamburg ihre Ausbildung ab, weil sie sich diese schlicht nicht mehr leisten können. Sozialsenatorin Karin Roth (SPD) gab gestern den Startschuß für eine Stiftung, die eine entsprechende Gesetzeslücke ausfüllen und diesen Jugendlichen den Abschluß finanzieren soll.

Schuld am Dilemma sind die Bundesgesetze. Wer eine Ausbildung macht und nicht mehr bei den Eltern wohnt, hat keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Der muß mit dem auskommen, was der Arbeitgeber zahlt, und das ist oft zu wenig. Gerade in einer Großstadt wie Hamburg fressen schon die hohen Mieten die Lehrlingsvergütung auf. Ihre Selbständigkeit leisten sich viele Jugendliche, indem sie statt in den Ausbildungsbetrieb als ungelernte Arbeiter auf den freien Arbeitsmarkt ziehen.

Die neue Stiftung „Jugendliche in Ausbildungsmaßnahmen“ soll hier in die Bresche springen. Sie ist an die Lawaetz-Stiftung angebunden, die die Arbeit für die BAGS „abwickeln“ wird, wie Geschäftsführerin Karin Schmalriede sich freut: „Es entspricht dem Lawaetz-Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe“. Eine Million Mark steht für 1998 zur Verfügung. Die ersten Anträge von Jugendlichen sind bereits eingegangen.

Die Voraussetzungen, diese Förderung zu erhalten, sind allerdings eng. „Wir unterstützen nur Jugendliche, die ihre Ausbildung abbrechen müßten, wenn sie die Hilfe nicht bekämen“, betont Sozialsenatorin Roth. Seit mindestens zwei Jahren muß man in Hamburg leben, davon zumindest das letzte halbe Jahr in einer eigenen Wohnung. Auch muß die Berufsausbildung die erste sein.

Und auch wer darunter fällt, hat das Geld noch lange nicht in der Tasche. „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist das Motto, und so kann Lawaetz im Einzelfall etwa verlangen, daß ein Azubi in seiner 2-Zimmer-Wohnung ein Zimmer untervermietet oder sein Auto verkauft.

Elke Spanner

Infos bei Lawaetz, Susanne Rogall, Tel.: 3984120

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