Ohne Ausdauer läuft nichts

■ Nur 14 Prozent der deutschen Hochschulabsolventen machen sich selbständig. Zum Beispiel der Chemiker Günter Funk. Nach der Promotion gründete er mit Kollegen die Firma Mikromol

Das Klagelied über deutsche Hochschulabsolventen ist lang: Sie sind zu alt, ihre Ausbildung ist nicht praxisnah, und Auslandserfahrung haben auch nur wenige. Bundesbildungsminister Rüttgers stimmt nun eine neue Strophe in der Litanei an: In der Bundesrepublik sind nur etwa 14 Prozent der erwerbstätigen Hochschulabsolventen als Selbständige tätig, jeder zweite ist im öffentlichen Dienst beschäftigt. Bei so wenig Risikobereitschaft unter den Akademikern fürchtet er um den Standort Deutschland. Nicht der Sesselfurzer ist gefragt, sondern ein deutscher Bill Gates, der in der Garage ein Firmenimperium gründet – und das möglichst mehrfach.

Auch für den Chemiker Günter Funk waren die Aussichten auf eine Stelle in der Industrie nach seiner Promotion eher düster. Mit 35 Jahren war er für eine solche Karriere viel zu alt. Da er jedoch als Chemiker arbeiten wollte, gründete er zusammen mit drei anderen die Firma Mikromol.

„Ein Jahr lang haben wir die Firmengründung geplant, uns erkundigt, wo es Fördermittel gibt, uns über die rechtlichen Belange einer Firmengründung informiert, den Standort der Firma gewählt“, erzählt Funk.

Doch nur wenige Hochschulabsolventen wagen diesen Schritt in die Selbständigkeit direkt nach dem Studium. Kein Wunder, denn Studenten haben in den seltensten Fällen eigenes Vermögen. Wer staatliche Fördermittel beantragen will, muß ein solides Konzept vorlegen. Das ist ohne Berufserfahrung und Branchenkenntnis – hier beißt sich die Katze in den Schwanz – kaum möglich.

Denn die Investitionen sind groß: Nach einer Studie der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) steckt ein Hochschulabsolvent im Durchschnitt 365.500 Mark in seine Firma, ein Fachhochschulabsolvent sogar 382.000 Mark. Ein Risiko, das kaum jemand alleine tragen möchte. Deshalb werden Teamgründungen bevorzugt.

Trotzdem wagt nach der DtA- Studie nur etwa jeder zehnte Student, der die Hochschule mit dem Examen in der Tasche verläßt, den Schritt in die Selbständigkeit. Nach wie vor kommen die meisten Jungunternehmer aus Ingenieur- und Naturwissenschaften. Absolventen der sozial- und kulturwissenschaftlichen Studiengänge machen sich nur selten selbständig.

Frauen scheinen sich ihre Geschäftsideen und Firmengründungen in der Regel besser zu überlegen als Männer. Dafür spricht jedenfalls, daß nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch statistisch gesehen sehr viel weniger Frauenbetriebe als Männerfirmen Pleite machen.

Funks Firma Mikromol hatte nach ihrer Gründung mit einigen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Was als Umweltanalyselabor geplant war, erwies sich als wenig aussichtsreich. Innerhalb der einjährigen Planungsphase war der Umweltmarkt dicht, so Funk. Die potentiellen Kunden blieben weg.

Heute stellt die Firma hauptsächlich chemisches Referenzmaterial für die Qualitätskontrolle von Arzneimitteln her. Dazu haben sie einen Katalog mit rund 150 Substanzen erstellt. Durch das neue Geschäftskonzept hat sich die ganze Vorgehensweise der Firma geändert. „Während wir früher auf Kunden warteten, wenden wir uns heute direkt an die Pharmafirmen.“ Und da es in diesem Bereich keine Konkurrenz gibt, kommen inzwischen sogar Pharmakonzerne aus Australien und dem ehemaligen Ostblock direkt auf die Firma zu.

„Wir haben eine lange Anlaufphase gebraucht. Ohne die anderen hätte ich das nicht geschafft“, sagt Geschäftsführer Funk. Durchhaltevermögen ist wichtig. Die Rahmenbedingungen für eine Firmengründung können noch so positiv sein, ohne Ausdauer läuft nichts.

Wer sich für die Selbständigkeit entscheidet, den erwartet ein hartes Stück Arbeit. Geregelte Arbeitszeiten, freie Wochenenden oder gar Urlaub sind in den Anfangsjahren selten. Darunter leidet natürlich das Privatleben. Ob man bei all diesen Mühen schließlich auch reich wird, bleibt offen. Karin Hahn