Auch Hongkong steckt sich an

Die Asienkrise erwischt die ehemalige britische Kronkolonie. Finanzstaatssekretär: Wirtschaft ist in den letzten zwölf Monaten erstmals seit 13 Jahren geschrumpft  ■ Aus Hongkong Sven Hansen

Jetzt kann es keinen Zweifel mehr geben: Auch Hongkong steckt in der Wirtschaftskrise. Das Bruttoinlandsprodukt der chinesischen Sonderverwaltungszone ist im ersten Quartal 1998 um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum geschrumpft – zum ersten Mal seit 13 Jahren. Dies gab Finanzsekretär Donald Tsang gestern in Hongkong bekannt. Er tat dies in weiser Voraussicht erst nach Börsenschluß. Denn die Börse hatte bereits am Mittwoch stark nachgegeben, nachdem Regierungschef Tung Che-hwa erstmals ein negatives Wachstum und die Aussicht auf eine Rezession angedeutet hatte. Zusammen mit den Währungsturbulenzen in Rußland hatte dies zu einem weltweiten Nachgeben der Börsenkurse geführt.

In Hongkong war die Wirtschaft 1997 im Jahresdurchschnitt noch um 5,3 Prozent gewachsen. Im vierten Quartal 1997 hatte sich das Wachstum allerdings schon auf 2,7 Prozent abgeschwächt. Tsang machte gestern die gesunkene Binnennachfrage, den Einbruch im Tourismussektor, sinkende Exporteinnahmen und die Auswirkungen der Asienkrise für Hongkongs wirtschaftliche Schwierigkeiten verantwortlich. Als regionale Handelsdrehscheibe und globale Finanzmetropole ist Hongkong mit seinen 6,5 Millionen Einwohnern besonders anfällig für die regionale Krise. Bereits vor zwei Wochen hatte die Regierung einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 3,9 Prozent bekanntgeben müssen. Manche Beobachter halten diesen Wert allerdings für zu niedrig.

Tsang kündigte Maßnahmen zur kurzfristigen Belebung der Wirtschaft an, die bereits geplante Steuersenkungen ergänzen sollen. Das Ziel sei, die Liquidität im Bankensektor zu erhöhen, die Tourismuseinnahmen zu steigern und die Immobilienpreise zu stabilisieren. So solle die Vergabe von Hypothekenkrediten erleichtert und Restriktionen im Immobiliensektor aufgehoben werden. Seit dem Höchststand im Sommer vergangenen Jahres sind Hongkongs vordem astronomische Immobilienpreise um 40 Prozent gesunken.

Um den Tourismus zu beleben, soll es sogar Visaerleichterungen für Touristen aus Taiwan geben. Durch die Asienkrise bleiben vor allem Besucher aus Japan, Süd- Korea und Indonesien aus. Aus diesen Ländern gingen die Besucherzahlen um zum Teil über 60 Prozent zurück.

Zur künftigen Wirtschaftsentwicklung wollte sich Tsang allerdings nicht äußern. Er sei aber sicher, daß Hongkong eine der ersten Volkswirtschaften sei, die vom Aufschwung erfaßt werde, sobald die Asienkrise entschärft sei und sich insbesondere die witschaftliche Lage in Japan und Indonesien stabilisiert habe.

Noch am vergangenen Sonntag hatte Donald Tsang ganz anders geklungen: Es gebe überhaupt keinen Grund, an der Prognose der Regierung von 3,5 Prozent Wachstum für das laufende Jahr zu zweifeln. Am Dienstag hatte Regierungschef Tung dann eingeräumt, daß jahrelang hohe Immobilienpreise, hohe Inflationsraten, negative Realzinsen und steigende Löhne zu Fehlentwicklungen geführt hätten, die nun korrigiert werden müssen.

Die Regierung betonte allerdings auch gestern, daß sie an der Bindung des Hongkong-Dollar an den US-Dollar festhalten werde. Sven Hansen