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Die Versöhnung ist gescheitert

Südafrikas Vizepräsident Thabo Mbeki wird ganz deutlich: Das Land bestehe aus zwei Nationen, einer weißen reichen und einer armen schwarzen  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

In Südafrika ist das Ziel der Versöhnung bislang nicht erreicht worden. Das erklärte Vizepräsident Thabo Mbeki gestern im Parlament. Wie der voraussichtliche künftige Präsident weiter sagte, sei der Aufbau einer gemeinsamen Nation bislang nicht gelungen. Südafrika sei ein Land, das aus zwei Nationen bestehe: einer weißen wohlhabenden und einer schwarzen armen.

Während die „weiße Nation“ aufgrund ihres Wohlstandes Zugang zur Wirtschaft, guter Ausbildung und Infrastruktur habe, lebe die „schwarze Nation“ unter unterentwickelten Bedingungen. Es gebe für sie keine Chancengleichheit. Das, so warnte Mbeki, könne zu gefährlicher Wut unter der schwarzen Mehrheit führen. Zugleich mahnte er, daß die Überwindung der Erblasten der Apartheid erhebliche Anstrengungen über einen langen Zeitraum erfordere.

In dieser Deutlichkeit hat das bislang noch kein prominenter ANC-Politiker öffentlich gesagt. Zwar ist vier Jahre nach dem Machtwechsel längst die Euphorie gewichen. Doch Mbeki wagte es damit, die gesamte Transformationsphase unter Nelson Mandela in Frage zu stellen. Dessen Amtszeit, die im kommenden Jahr zu Ende geht, steht unter dem Motto der nationalen Aussöhnung. Schon im vergangenen Dezember allerdings bereitete Mandela auf einem ANC-Parteitag Mbeki, der damals zu seinem Nachfolger als Parteiführer gewählt wurde, selbst das Feld und kritisierte die weiße Minderheit ungewohnt scharf.

Mbeki läßt seither keinen Zweifel daran, daß die Zeit der Versöhnung bald vorbei sein und statt dessen stärker umverteilt werden wird. Er übte gestern scharfe Kritik an der Mehrzahl der Weißen und warf ihnen vor, keine Verantwortung für die Vergangenheit zu übernehmen und zu wenig zum Wiederaufbau beizutragen. Als Gegenbeispiel verwies Mbeki auf die deutsche Wiedervereinigung und die riesigen Geldbeträge, die von West nach Ost geflossen seien. Dies sei ein Beleg dafür, wie ernst es die Deutschen mit der nationalen Einheit nähmen. In Südafrika hingegen würden Parteien wie auch die Gesellschaft als Ganzes nicht zur Versöhnung und zum Aufbau der Nation beitragen.

Mbekis Rede wurde auf den ANC-Bänken mit stehenden Ovationen bedacht. Die Opposition warf Mbeki vor, die Aussöhnung durch eine „neue Apartheid“ zu gefährden.

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