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Gross und krank Von Thomas Gsella

Sich zu beweisen oder wenigstens das Gefühl zu geben, daß sie neben Geld und Macht auch Hirn oder wenigstens ein Sprachzentrum habe, läßt die herrschende Bande oder wenigstens die Redaktion des FAZ-Magazins seit schätzungsweise achtzig Jahren den körperlich verschwindend kleinen Johannes „Johnny“ Gross das demonstrieren, was sie für Geistesgröße hält, und ihn ein „Notizbuch“ schreiben, das aufklärerisches Raisonnement beerben, Freiheit des Denkens mit Feinheit der Diktion verbinden und den Anzeigenkunden stecken will, hier läsen wir monetär wie kulturell oberen Zehntausend.

Leider liegt die Wahrheit wieder einmal in der Mitte. Der Wortschatz ist in der Tat halbwegs hinreichend, und gelesen werden die „Notizen“ in der Tat von blitzgescheiten Managern oder wenigstens rappeldummen Volkswirtschaftsstudenten, die wissen möchten, was Papa denken würde, würde er es formulieren können – die Notizen selbst sind Schmodder zu immerhin 95 Prozent, teils indes von beinah' Krausscher Unerhörtheit („Reich wird nur, wer andere für sich arbeiten läßt“, „Es gibt Namen, die ich allweil vergesse, weil sie dauernd genannt werden“) beziehungsweise Lichtenbergscher Buddeltiefe („Auch Claudia Schiffer weiß leider nicht, wie klug es ist, auf dem Gipfel aufzuhören“) und immer wieder herzhaft erzkonservativ bis hin zum lustvoll Reaktionären, schlichtweg Niedrigen, ja Unterirdischen:

„Angesichts der zunehmenden Funktionsschwäche unserer politischen Institutionen sollte noch einmal über die antiplebiszitäre Neigung des Grundgesetzes nachgedacht werden. Wenn die Volksvertreter eine Krise nur bereden, aber nicht kurieren können, sollte das Volk es selber tun. Zudem sind Plebiszite und Referenden sehr gute Ventile, lebhaften öffentlichen Verdruß abzusaugen und außerparlamentarischen Aktivitäten und protestierenden Zusammenrottungen vorzubeugen.“

Man hört ihn glucksen, den Kleinen, und der Liebe jener gewiß sein, die Mölln, Solingen u. a. für einen „Denkzettel“ halten und den Volkszorn gern mal eine Zeitlang toben lassen würden, bis ein Führer dann schon noch gerufen wird. Dabei weiß höchstwahrscheinlich keine Sau, warum man ausgerechnet Gross zum Nachdenken bestellte. Als Herausgeber von capital und impulse kümmerte er sich um nix als Bilanzen und scheint, ogottogott, auch das noch, inzwischen gar zu kurz fürs Fernsehen: Seine Herrenquasselrunde „Tacheles“, ein dem „Notizbuch“ in nichts nachstehendes Gewäsch aus Brutalität und Bildung, ward nach ein paar Folgen wieder eingestampft – Gross erwies sich als zu klein, tauchte stetig unter die vom Sender vorgeschriebene Sitzmindesthöhe!

Für einen, dessen ganzer Stolz und Sinn und Halt darin besteht, den unter ihm Geborenen öffentlich in die Fresse zu treten, muß das einen Knick bedeuten. Aber er wird sich aufrappeln, der Zwerg aus Haarausfallien. Zum Ende schnell noch ein Gedicht, meinen kürzlichen, erstmaligen und einwöchigen New-York-Besuch bilanzierend:

Central Park! Das World Trade Center!

Broadway! Time Square! Ach, was sag' ich!

Sechs von sieben Tagen lag ich

mit 'ner Grippe im Hotelbett.

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