Schlappe für Milošević in Montenegro

Präsident Djukanović gewinnt die vorzeitigen Parlamentswahlen in der jugoslawischen Teilrepublik überzeugend. Belgrads Freund Bulatović gibt seine Niederlage zu. Der Bundesstaat gerät in eine Krise  ■ Aus Podgorica Andrej Ivanji

Die Würfel sind in Montenegro gefallen. Ansteckende Aufbruchstimmung ist in der ganzen Adriarepublik zu spüren: Präsident Milo Djukanović und seine Koalition „Für ein besseres Leben“ haben die Parlamentswahlen vom Sonntag unerwartet überzeugend gewonnen. Seine Anhänger ziehen durch die montenegrinische Hauptstadt Podgorica und schießen vor Freude in die Luft. „Milo! Milo!“ und „Dies ist nicht Serbien!“ ertönt es am Montag im Morgengrauen. „Ein neuer Tag bricht an für Montenegro. Schreib das ruhig auf, Slobodan Milošević kann uns mal!“ sagt ein junger Mann, ehe er weiter montenegrinische Lieder singt.

Djukanović hat alle unerbittlichen Angriffe aus Belgrad abgeschlagen, den Medienkrieg gewonnen und den Versuch, Unruhen in der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro zu provozieren, überstanden. Seine Koalition hat über fünfzig Prozent der Stimmen gewonnen und kann nun allein die montenegrinische Regierung bilden. Selbst im an Serbien grenzenden Norden Montenegros, dem Stützpunkt seines verbissenen, von Belgrad unterstützten Kontrahenten Momir Bulatović, hat Djukanović in allen größeren Städten die Mehrheit hinter sich. Bulatovićs Sozialistische Volkspartei mußte sich mit etwa dreißig Prozent der Stimmen begnügen.

Bulatović, der erst vor zwei Wochen in einem juristisch fragwürdigen Schnellverfahren gegen den Willen des montenegrinischen Parlamentes zum jugoslawischen Bundesministerpräsidenten ernannt worden war, ist gleich nach den ersten, für ihn schlechten Ergebnissen nach Belgrad geflogen. Im weißen Schloß, der Residenz von Slobodan Milošević, wird er neue Anweisungen bekommen, die das Schicksal der Bundesrepublik Jugoslawien bestimmen werden. Immerhin gestand er gestern seine Wahlniederlage ein.

Djukanović sagte, er habe noch nicht „die wichtigste Schlacht seines Lebens“ gewonnen: „Das ist unser vorletzter Sieg, der endgültige Triumph wird sein, wenn die Demokratie im ganzen Jugoslawien gewinnt“, erklärt er. Die montenegrinische Regierung erkennt die von Bulatović ernannte jugoslawische Bundesregierung nicht an. Freilich kündigte Bulatović noch vor den Wahlen an, im Falle einer Niederlage würde er die „kriminelle montenegrinische Regierung“ nicht anerkennen.

Gestern erklärte der bisher glücklose Führer der bürgerlichen Opposition in Serbien, Zoran Djindjić: „Wir haben gewonnen!“ Er hofft auf die Sogwirkung aus Montenegro. Die bisher zerstrittene serbische Opposition setzt jetzt auf Djukanović als ihren Führer, denn dieser hat das Ende der elfjährigen Milošević-Herrschaft eingeläutet. Nach den gewonnenen Parlamentswahlen hat er die Macht, sich dem starken Mann aus Serbien in allen Bundesinstitutionen zu widersetzen.

Davor fürchtet sich auch Milošević. Deshalb hat er rechtzeitig Bulatović als Chef der jugoslawischen Bundesregierung etabliert. Djukanović will diese Regierung zwar nicht anerkennen, aber er wird sie mit den neuen Abgeordneten, die er in die paritätisch zusammengesetzte Kammer der Republiken des Bundesparlamentes entsenden wird, auch nicht stürzen können. Er kann allenfalls die Gesetzgebung verzögern oder verhindern.

Jugoslawien steht eine permanente Verfassungskrise bevor, wenn sich die Legislative und Exekutive der Föderation und des kleineren Teilstaates gegenseitig nicht anerkennen. Die Funktionsfähigkeit von Bundesbehörden in Montenegro wie Zoll, Grenzpolizei, Luftüberwachung, aber auch die Garnisonen der Armee und der Kriegsmarine, wird damit in Frage gestellt. Welche Schlüsse Milošević daraus ziehen wird kann noch niemand voraussagen. Die regimenahen Tageszeitungen in Belgrad erschienen gestern mit stundenlanger, unerklärlicher Verspätung. Sie brachten kurze Berichte über die Wahlen in Montenegro, aber keine Kommentare.