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Hessische Rhönschafe sind „heimgekehrt“

■ BUND rettet die letzte Herde in Hessen. Die Tiere bekommen Öko-Kraftfutter

Wüstensachsen (taz) – Sind Schafe dumme Tiere? Dietmar Weckbach, Schäfer in der Rhön, glaubt das nicht: „Meine Schafe blöken auf Kommando.“ Rhönschafe scheinen tatsächlich noch dümmer zu sein als andere. Aber Hauptsache, sie schmecken gut. Etwa in Form von Salami, angerichtet auf Bauernbrot aus dem traditionellen Holzofen in der hessischen Verwaltungsstelle Biosphärenreservat Rhön in Ehrenberg-Wüstensachsen.

Am Freitag griff dort auch Heinz Fromm aus dem Innenministerium in Wiesbaden gerne zu. Draußen – nach dem tierischen Imbiß – staunten dann die 241 Röhnschafe mit schwarzem, hörnerlosem Kopf und weißem Fell auf ihrer Bergweide nicht schlecht. Einen leibhaftigen Staatssekretär, der noch dazu einmal der oberste Verfassungsschützer des Landes war, hatten sie zuvor noch nie gesehen. Schäfer Weckbach gab das Kommando. Und kollektiv wurde geblökt.

„Heimgekehrt aus der Fremde“ in die Rhön sei die Herde, sagte stolz der Leiter der Verwaltungsstelle, Heinrich Heß. Als Schwalmländer waren die Tiere aufgewachsen, bei Herrn und Frau von Butlar in der Nähe von Fritzlar. Doch die Schafe, wußte Heß zu berichten, seien „sehr wahrscheinlich“ die Nachkommen der letzten original Rhönschafe, die vor 45 Jahren von Wüstensachsen aus nach Nordhessen verkauft worden waren. „Es spricht viel dafür, daß in den Adern dieser Tiere tatsächlich das Blut jener Schafe fließt, die damals aus der Rhön verschwanden“, meint Heß.

„Reinrassig“ soll es bald wieder zugehen auf den Bergwiesen der Rhön. Schäfer Weckbach, der die Herde vom BUND Naturschutz Hessen gepachtet hat, mußte sich verpflichten, seine anderen Schafherden demnächst abzugeben. Nur noch Rhönschafe sollen sich in der Rhön tummeln dürfen. Da ziehen auch die Bayern auf der anderen Seite der Wasserkuppe mit, auch wenn das Rhönschaf weniger Fleisch und Wolle „produziert“ als andere Rassen. Aber das Rhönschaf mit dem „schmalen Nofretetekopf“, weiß Jörg Nitsch vom BUND, ist widerstandsfähiger gegen die klimatischen Bedingungen seiner „Zuchtheimat“. Kräftige Beine mit harten Klauen würden „Tritt beim Weidegang auch im unwegsamen Gelände des Mittelgebirges“ geben. Und zudem sei das Fleisch wohlschmeckend und weise einen „leichten Wildcharakter“ auf.

Abnehmer in der Gastronomie gesucht

Rund 30.000 Mark hat den BUND die Herde gekostet. Finanziert haben den Betrag das Land Hessen über die Stiftung Hessischer Naturschutz und der Mineralwasserabfüller „Förstina“ aus der Rhön als Sponsor. Beim „Projekt Rhönschaf“ fügten sich Ökologie und Ökonomie idealtypisch zusammen, sagte Heinz Fromm. „Naturschutz durch Naturnutzung“, nannte das Nitsch vom BUND.

Eine runde Sache auch für den Schäfer, der sich im Pachtvertrag darauf eingelassen hat, sein „Kraftfutter“ (Bohnen und Erbsen) für die Rhönschafe aus dem ökologischen Landbau zu beziehen. Schäfer Weckbach selbst stellt seine eigene (Nebenerwerbs-) Landwirtschaft gerade um. Damit der Schäfer auch ökonomisch überleben kann, darf Weckbach selbst und direkt vermarkten.

Der BUND und die Verwaltungsstelle Biosphärenreservat bemühen sich darum, weitere Abnehmer von Rhönschaffleisch in der heimischen Gastronomie zu finden. Es müsse dabei aber für „absolute Ehrlichkeit auf der Speisekarte“ gesorgt werden, sagte Heß abschließend. „Rhöner Gourmetspezialitäten“ müßten her und kein Lammfleisch aus Neuseeland. Klaus-Peter Klingelschmitt

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